Dieses ehemalige Bauernhaus ist eines der ältesten Häuser von Pfäffikon aus dem 16. Jahrhundert. Die Flugpfette, welche im Museum am Pfäffikersee aufbewahrt wird, ist mit 1599 datiert. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bildete es den westlichen Endpunkt des Dorfes. Weiter führte nur eine einfache Strasse durch das Ried nach Uster. Vermutlich wurde früher in der riesigen Scheune ein Teil des Zehnten abgeliefert, wodurch das Haus im Volksmund zum «Zehntenhaus» wurde und bis heute so genannt wird. Als mächtiges Bauernhaus wurde es erbaut. Daraus ist im Laufe der vielen Jahrzehnte ein Vielzweckhaus geworden bei Verkäufen und Erbgängen, den jeweiligen Anforderungen entsprechend. Heute befinden sich in der Liegenschaft Wohnungen, welche vier verschiedenen Eigentümern gehören. Am Nordende ist eine mechanische Werkstätte angebaut. Das Haus ist im Verzeichnis der inventarisierten Gebäude.
Chronologische Übersicht
1599 | Bau erstellt als Doppelbauernhaus, Bohlenständerbau mit Krüppelwalmdach |
18. Jh. | Vier Wohneinheiten, riesige Scheune mit Durchfahrt, Umbauten |
19. Jh. | Fünf Wohneinheiten, Scheunenzuteilungen, Umbauten |
17. – 19. Jh. | Vermutlich Abgabestelle für den Zehnten |
1919 | Einbau einer Kupferschmiede |
1930 – 1999 | Nutzung der Werkstätte durch verschiedene Spenglereien |
1952 | Anbau einer mechanischen Werkstätte |
1970 | Einbau eines Architekturbüros |
1983 | Gebäude inventarisiert |
20. Jh. | Wohnungen modernisiert |
21. Jh. | Keine gewerbliche Nutzung mehr |
Gebäudestandort
Am westlichen Ende der Kernzone an der unübersichtlichen leichten Kurve der Usterstrasse bei der Abzweigung in die Friedhofstrasse steht eines der ältesten Häuser von Pfäffikon. Es ist im Verzeichnis der inventarisierten Gebäude und wird im Volksmund «Zehntenhaus» genannt. Die exponierte in den Strassenraum reichende Lage ohne Trottoir direkt an der stark befahrenen Strasse erfordert an den Fassaden betroffener Wohnungen Massnahmen zum Schutz des Gebäudes und der darin lebenden Menschen gegen die breiten Lastwagen. Sie erfordert von allen Verkehrsteilnehmenden äusserste Aufmerksamkeit. Vom 17. bis gegen das 20. Jahrhundert war hier das «Westtor» des Dorfes. Das mächtige Gebäude mit einem Krüppelwalmdach prägte seit je den unteren Ortsteil um die Reformierte Kirche, das eigentliche Kerndorf. Bereits 1790 auf einem alten Aquarell, welches im Museum am Pfäffikersee ausgestellt ist, bildet das markante Gebäude den westlichen Abschluss des Dorfes. Zur Bauzeit im 16. Jh. war die «Usterstrasse» noch eine wenig begangene sehr einfache Strasse. Sie wurde vor allem für die Landwirtschaft genutzt, für den Zugang ins Torfried, in die Allmend und zu den Aussenwachten Wermatswil, Ruetschberg und Ottenhausen. Erst nach Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine neuzeitliche Strasse erstellt, als Kantonsstrasse mit ihrem heutigen Verlauf. Seit 1993 dient sie als Zubringer zum Autobahnanschluss Uster und nimmt als offizielle Durchgangsstrasse den Verkehr von Uster ins Tösstal auf. Damit ist an dieser Stelle eine Hauptdurchgangsstrasse entstanden. Seit dem Strassenausbau 2016 und den Umklassierungen der Tumbelen-, Pilatus- und der Seestrasse wurden die beiden Postautohaltestellen bei der Kirche aufgehoben.
Gebäudebeschreibung und -nutzung
Das mächtige Vielzweckhaus wurde Ende des 16. Jahrhunderts auf einem Grundstück, welches ein Lehen des Vogtes Jakob Gessner von Hegi war, erbaut. Beim damaligen Bauherrn soll es sich um einen wohlhabenden Pfäffiker Bürger gehandelt haben, vermutlich um Hans Diggelmann. Es ist eine Bohlen- Ständerkonstruktion, welche u.a. einen Dachstuhl von hervorragender zimmermannstechnischer Arbeit (soweit diese noch im Ursprungszustand vorhanden ist) aufweist und daher schützenswert ist. Von aussen ist davon heute allerdings kaum mehr etwas zu sehen. Die riesige Dachfläche ist teilweise mit Biberschwanzziegeln bedeckt. Im Haus befanden sich auf der Nordseite zwei riesige Scheunen mit einer offenen durch Scheunentore geschützten Durchfahrt. Im Laufe der Zeit entstanden vier Wohnungen mit je einem Scheunenteil. Ursprünglich wurden vermutlich die Scheunen als Lagerplätze für die Zehntabgaben in Naturalien genutzt, weshalb das Haus im Volksmund den Namen «Zehntenhaus» bekam. Durch die vielen inneren Umbauten, bei Erbgängen und Verkäufen verursacht, sind auch die Ebenen der verschiedenen Räumlichkeiten versetzt. Eine ersetzte Flugpfette aus dem Haus Assek.-Nr. 934, welche in der Inschrift die Jahreszahl 1599 trägt, ist im Museum am Pfäffikersee erhalten und soll beweisen, dass es sich um das älteste in Pfäffikon noch stehende Gebäude handelt. Noch ältere Hausbauteile aus dem 15. Jh. hat man allerdings mit Hilfe der Dendrochronolgie in einem unscheinbareren Gebäude an der Rappengasse nachweisen können. Die inneren Einbauten stammen durchwegs aus dem 20. Jh. Im Gebäude befinden sich aktuell fünf Wohnungen, welche vier verschiedenen Eigentümern gehören. Die ehemaligen Scheunenteile wurden vielfach umgebaut und für anstehende Bedürfnisse genutzt. 1919 wurde eine Kupferschmiede installiert und ab ca. 1930 entstanden die Spenglerei Morof und später Silligmann. Die einheimische Baufirma Stahel erstellte 1952 den einstöckigen Vorbau an der Nordwestecke, in welchem noch heute eine mechanische Werkstätte vorhanden ist, welche zum Teil als Lager genutzt wird. Seit 1970 existiert im Oekonomieteil ein Architekturbüro und ein weiterer Anteil wurde der Vergrösserung des Wohnteils Assek.-Nr. 934 zugeschlagen. Alle diese Umbauten haben auch äusserlich den ursprünglichen Charakter des mächtigen Bohlenständerbaus beeinträchtigt. Die dem Strassenverkehr zugewandten Wohnungen haben heute keinen Zugang mehr von der Usterstrasse her. Es wäre zu gefährlich. Sie müssen über das jeweilige Nachbargrundstück erreicht werden.
Heutige Unterteilung des Grundstückes
- Haus Assek.-Nr. 932 (Friedhofstrasse 3) seit 1970 Architekturbüro
- Haus Assek.-Nr. 933 (Friedhofstrasse 1) seit 1940 Wohnung mit kleinem Vorgärtchen
- Haus Assek.-Nr. 934 (Usterstrasse 28) seit 1999 grössere Wohnung im alten Gemäuer, grösste Parzelle mit Garten abseits der Strasse, angegliedert eine mechanische Werkstätte seit 1952.
- Haus Assek.-Nr. 935 (Usterstrasse 26): seit 1995 Wohnung, Zugang über Grundstück Kat.-Nr. 6673
- Haus Assek.-Nr. 936 (Usterstrasse 24): seit 1989 Wohnung mit kleinem Vorgärtchen, Zugang über Grundstück Kat.-Nr. 11’146
Quelle: GIS-Browser Kanton Zürch
Ein Blick ins Innere des Hauses
Aus der Zeit der Nutzung als «Zehntenhaus» liegen keine Dokumente vor. Nach dem Loskauf von der Zehntenpflicht 1807 wurden die Scheunen für andere Zwecke genutzt. Die tragende Bausubstanz musste bei allen Ein- und Umbauten berücksichtigt werden. Nur dank bautechnischer Kniffe konnten immer wieder entsprechende Lösungen gefunden werden und die Stabilität des Hauses gewährleistet bleiben. Bei Handänderungen über die Jahrhunderte entstand der heutige Vielzweckbau mit fünf Partien, von denen jede ihren Besitz nach eigenem Gutdünken anpasste und einrichtete. Die ausgebauten Wohnungen reichen zum Teil bis unter das Dach. Eine besondere Herausforderung war der Einbau des Architekturbüros. Im Jahr 1919 liess Johannes Kaufmann eine mechanische Werkstätte einbauen, welche später als Spenglerei genutzt und 1952 weiter ausgebaut wurde. Bis heute wird dieser Anbau noch immer als Werkstätte und auch als Lagerraum genutzt. Dank permanentem Unterhalt sind die Wohnräume modern, aber niedrig. Zu den verschiedenen Stockwerken gelangt man nur über sehr steile Treppen. Oft sind Tragbalken sichtbar oder verlaufen zum Teil mitten durch die Zimmer. Ein besonderes Exemplar, das einem Umbau zum Opfer fiel, befindet sich im Museum am Pfäffikersee.
Zehnten im Zürcher Oberland
Der Zehnten ist eine Abgabe, bemessen aufgrund der Güter eines Bürgers, welcher vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit anfänglich an die Kirchen, später an die Obrigkeit entrichtet werden musste. Den Zehnten zahlen hiess, der Kirche einen Zehntel der Einnahmen des Grundstückes und dem darauf erzielten Ertrag abzugeben. Das geht auf frühchristliche Traditionen zurück. Seit Karl dem Grossen hatten Pfarreien das Recht, den Zehnten einzufordern. Damit wurden die Leutpriester besoldet, die Armen unterstützt, die Kirche unterhalten und der Bischof alimentiert. Bis zum Jahr 1423 hatte das Kloster St. Gallen seine Güter an Lehensträger vergeben, welche jeweils die Kollatur (Recht kirchliche Ämter zu besetzen und/oder den Zehnten zu nutzen) und das Widum (Pfarrgut oder zur Kirche gehörendes Land) innehatten. Allmählich ging der Zehnten in weltliche Hände über und damit an einflussreiche Bürger oder Familien mit Grundbesitz. Während rund 300 Jahren übten die Herren von Breitenlandenberg das Zehntrecht über ihre Besitztümer in Pfäffikon aus. Vor allem nach der Reformation ging der ursprünglich dem Kollator (Kirchenherr) zustehende Zehnten in weltliche Hände, häufig wurde er an Laien weiterverkauft. Der Staat Zürich wurde nach der Aufhebung der Klöster nach der Reformation der grösste Zehntinhaber in seinem Hoheitsgebiet. Nebst dem pfarrherrlichen Einkommen lag die grösste Zehntberechtigung im gesamten Anbaugebiet von Pfäffikon, Bussenhausen, Wallikon (rund 200 ha), in der Nutzniessung von Grundstücken, Grundzinsen, Zehnten in natura und Geld usw. bei der Familie Wirth in Pfäffikon, und durch Erbgang bei den Familien Schellenberg und Diggelmann, welche im 15./16. Jahrhundert zu den führenden Familien von Pfäffikon gehörten. Da die Herren von Pfäffikon zu verschiedensten Geschlechtern gehörten, war auch die Abgabe des Zehnten verschieden geregelt. Der endgültige Loskauf von der als lästig empfundenen Zehntpflicht fällt ins Jahr 1807. Es wird vermutet, dass der Zehnt in Naturalien auch im «Zehntenhaus» für die Obrigkeit abgeliefert und gespeichert worden war.
Denkmalschutz
Das Haus steht im Inventar der überkommunalen Schutzobjekte im Kanton Zürich. Es ist im Zürcher Oberland regional eingestuft. Gemäss ISOS-Plan 5616 über erhaltenswerte Gebäude in der Kernzone ist dieses ehemalige Vielzweckhaus mit dem Erhaltungsziel A eingestuft, was bedeutet, dass es für das Ortsbild und den Charakter der Häusergruppe im westlichen Teil des Dorfes von herausragender Bedeutung ist. Dies insbesondere auch mit einem prägenden Situationswert mit dem aus dem 18. Jh. stammenden Nachbargebäude gegenüber an der Friedhofstrasse (Friedhofstrasse 4). Alle Umbauten in und an diesem geschützten Haus müssen zusätzlich von der Denkmalpflege bewilligt werden.
Quellen und Links
Quellen:
- Tagblatt der Gemeinde Pfäffikon
- Chronikstube, Archivmaterialien, Zehntenbriefe
- Heimatbuch Band I, S. 148 «Ghalter»
- Regierungsratsbeschluss vom 4. Nov. 1987
- «Zehnt»: Historisches Lexikon, 2015: Sebastian Grüninger; Andreas Ineichen
- Die Pfäffiker Herren im Mittelalter, Hans Keller
- Interviews mit Wohnungseigentümern
Links:
- Historisches Lexikon der Schweiz – SQchwort «Zehnt»:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008982/2015-01-25 - Bilder von picswiss, Roland Zumbühl:
https://picswiss.ch/