Das 1895 erstellte Hotel Bahnhof gegenüber dem 1876 erstellten Bahnhof war das erste städtische Hotel in Pfäffikon. Von allem Anfang an war es das Zentrum des Gesellschaftslebens im Pfäffikon. Unzählige Vereinsanlässe, Hochzeiten, Tanzanlässe und Versammlungen gingen in den Sälen des Hotels über die Bühne.
Chronologische Übersicht
1895 | Albert Reimann, Inhaber des nebenan liegenden Hotels Reimann, erstellt dieses Hotel |
1898 | Einbau eines Tanzsaales in die nebenan liegende Remise |
um 1924 | Ersatz des Zinnendachs durch ein Walmdach und der schönen Lukarnen durch Dachfenster |
1957 | Kauf des Hotels durch die Brauerei Haldengut |
1961 | Feierliche Eröffnung des Saalanbaus anstelle des ursprünglichen Anbaus (Remise und Tanzsaal) |
2002 | Pfäffiker Stimmbürger lehnen den Kauf des Hotels Bahnhof ab |
2010 | Restaurant- und Hotelbetrieb wird eingestellt Die Sozialwerke Pfarrer Sieber nutzen die Räumlichkeiten für die Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli |
2023 | Unterschutzstellung |
2025 | Umbau zu einem Wohn- und Geschäftshaus |
Gebäudestandort
1895 wurde das damals mondäne Hotel von der Familie Reimann erbaut. Es war eines der ersten grossen Hotels im Oberland und fand entsprechenden Zulauf in einer Zeit des aufkeimenden Tourismus um die vorletzte Jahrhundertwende. Das Hotel Bahnhof war während rund 100 Jahren ein beliebter Treffpunkt für die Dorfbevölkerung. In den eingebauten Sälen fanden unzählige Veranstaltungen fürs Volk, für Vereine, Politik und Bildung statt. Im Keller wurde gekegelt. Bis um die Jahrtausendwende gehörte der «Bahnhof» zu den geschätzten Restaurants, in den letzten Jahren bot es dem Urdörfli (Pfr. Sieber) eine Unterkunft. 2025 wird das Gebäude in ein Wohn- und Geschäftshaus umgebaut.
Die Geschichte des Hauses
Die ersten Jahrzehnte
Das Ehepaar Albert und Maria Reimann, welches in Irgenhausen eine Sennhütte betrieben hatte, zu der auch die alte ehemalige Sennhütte Im Kehr, direkt am See, gehörte, entschloss sich 1879 zur käuflichen Übernahme des ein Jahr zuvor durch Ferdinand Troxler erbauten kleinen «Gasthofes zum Bahnhof». Die Eheleute Reimann tauften den Gasthof dann in «Hotel Reimann» um.
Bald wurde das Hotel Reimann zu klein. Albert Reimann entschloss sich deshalb 1895 anstelle einer nebenan gelegenen Scheune ein Wohn- und Gasthaus für Fr. 125’000 zu errichten. Dieser Bau war das erste städtische Gebäude am Bahnhofplatz. 1898 kam auch ein Anbau mit Remise, in dem ein Tanzsaal eingerichtet wurde, hinzu.
Das Hotel Bahnhof hatte von allem Anfang an elektrisches Licht und eine Zentralheizung. Für Pfäffikon ungewöhnlich war auch, dass das Hotel drei hohe Vollgeschosse und ein Dachgeschoss aufwies. Zur Belichtung des Dachgeschosses wurden prächtige Giebellukarnen eingebaut. Über dem Eingang auf der Seite Bahnhofstrasse zierte sogar ein kleines Türmchen das Dach. Auf dem Dach befand sich eine Zinne.
Das fein gestaltete, immer noch vorhandene Balkongeländer im 1. Stock über dem Eingang Bahnhofstrasse wurde von der ortsansässigen Schlosserei Schneider erstellt. Dem Hotel wurde ein Landwirtschaftsbetrieb und eine Fuhrhalterei angegliedert. Albert Reimann führte auch seinen Käsehandel weiter.
Neuer Saal
Am 15. Februar 1960 bewilligte die Gemeindeversammlung mit grossem Mehr einen Kredit von Fr. 400’000 als Beitrag für einen neuen Saal im Hotel Bahnhof. Schon im April 1960 begannen die Bauarbeiten. Weil die Platzverhältnisse hinter dem Hotel sehr eng waren und die Remise die erforderlichen Abstände zu den Nachbargrundstück nicht einhielt, entschloss man sich aus baurechtlichen Gründen nur zu einem Umbau des alten Anbaus, in welchem ein Tanzsaal eingebaut war.
Dem alten Saal weinte die legendäre Lokaljournalistin Hanny Kunz aber doch eine dicke Träne nach:
An einen alten Saal . . .
Schnöder Undank ist der Welt Lohn! In hohen und höchsten Tönen wird das Loblied vom neuen Saalbau gesungen, aber an das, was uns Pfäffikern der alte Saal gewesen war – an das denkt niemand. Niemand? 0 doch: ausser der ältern Generation der Dorfbewohner denken vor allem diejenigen zurück, die während mehr als einem halben Jahrhundert im Hotel «Bahnhof» als Besitzer gewirkt und die Freuden und Leiden eines ländlichen Saalbetriebes bis zur Neige ausgekostet haben.
Mit leiser Wehmut erinnert sich in diesen Tagen das einzige noch lebende der ehemaligen vier Reimann-Kinder – Frau Emma Frei-Reimann, der die Schwester, die beiden Brüder, die Eltern und der Gatte im Tode vorangegangen sind – an jene «gute alte Zeit», da im schönen Monat Mai jeweils unzählige Hochzeitskutschen vorfuhren und für die weissbeschuhten Füsse der glücklichen Braut vom Wagenschlag bis zum Hotel-Eingang ein roter Läufer (rot als Farbe der Liebe) ausgebreitet lag, während viele Dutzend Kinderkehlen nach «Füürstei» krähten. Und dann das feine Menu, die festlich auf schneeweissem Damast hergerichteten Gedecke, die kunstvoll zu Schwänen und Fächern aufgebauschten Tuchservietten – war das eine Pracht! Ja, damals galten der gegen die Molki gelegene Speisesaal, der daneben liegende Tanzsaal wie auch der Bühnensaal als vornehm und schön. An Raumhöhe wurde nicht gespart, und die aus Tuch und Sammet kombinierten Portieren mit ihrem Posamenteriebölleli-Zauber über den zahlreichen Fenstern wirkten geradezu feudal, ganz zu schweigen von den reichdotierten Kronleuchtern und den mächtigen Spiegeln mit den barocken Goldrahmen – ach, wenn diese Argusaugen reden könnten, das gäbe Stoff zum schönsten Courths- Mahler-Roman. Wir glauben übrigens nicht, dass es ein innenarchitektonischer faux-pas gewesen wäre, wenn einer der antiken Spiegel in den neuen modernen Saal hinübergerettet worden wäre.
Und dann der Theatersaal! Was könnte diese ehemalige Bühne, was könnten diese «Bretter, die die Welt bedeuten», diese oft erneuerten Kulissen erzählen von dem, was vor und hinter ihnen gespielt worden ist. Geradezu ein Wunder, dass in jenem engen Schminkraum neben der Bühne und in den aus lauter Bretterwänden bestehenden Miniatur-Garderoben mit den brennbaren Requisiten und dem zahlreichen Flittertand nie ein «Bröuschtli» entstanden ist.
Lieber alter Saal: Du bist seit Jahresfrist verschwunden. Man hat dich einfach futsch gemacht und nur deine Wände stehen lassen, diese Wände, die fernerhin den schmetternden Fanfaren und den Paukenschlägen unserer übenden «Harmonie» standhalten und Zeuge patriotischer Begeisterung sein werden, wenn einer unserer Dorfvereine lorbeergekrönt von einem Eidgenössischen zurückkehrt und der Gratiswein in silbernen Pokalen von Mund zu Munde geht. Vielleicht wird sich auch das einmal ändern, aber nicht, solange die Jahrgänger aus dem vorigen Jahrhundert noch «buschber» sind. Das versprechen wir dir am heutigen Tage – alter verblichener Geselle – zum Beweise, dass wir dich ob der Freude über den Neubau nicht vergessen haben. Der alte Saal ist tot — es lebe der neue!
Die feierliche Einweihung fand am 22. April 1961 statt. Unter dem Patronat des Verkehrsvereines legten an der Einweihungsfeier 15 Dorfvereine Zeugnis des Pfäffiker Dorfgeistes ab. Sie brachten gemeinsam ein aktives Kabarett über die neue Bühne, bei dem das ganze Gesellschaftsleben von Pfäffikon auf die Schippe genommen wurde.
Gescheiterte Dorfsaalvorlage
1997 schloss die Gemeinde mit der Brauerei Haldengut einen Mietvertrag ab und verlängerte das Benützungsrecht für den Saal bis zum Jahr 2004. Ausserdem wurde das bisher dem Bahnhofwirt vorbehaltene Weitervermietungs- und Bewirtungsrecht der Gemeinde übertragen. So konnten die Dorfvereine bei ihren Anlässen selber wirten.
Es blieb aber das Bedürfnis, einen Dorfsaal für die Gemeinde nachhaltig zu sichern. Es wurden verschiedene Varianten studiert (Einbau in Gebäude der ehemaligen Mühle Egli, ein Neubau auf dem Sophie-Guyer-Areal oder der Kauf und Umbau des Hotels Bahnhof). Der Gemeinderat schlug dann den Stimmbürgern wegen der besseren Etappierbarkeit den Kauf der Liegenschaft Hotel Bahnhof vor. Um mehr Spielraum für die Erweiterungen zu schaffen, beantragte der Gemeinderat auch die Nachbarliegenschaft Bankstrasse 5 (ehemalige Eisenhandlung Kull) zu kaufen. Den Stimmbürgern erschien der Preis für den Erwerb der beiden Liegenschaften zu hoch. Im September 2002 lehnten sie mit 70% Nein-Stimmen die Vorlage ab.
Ein gewisser Ersatz für den weggefallenen Saal bot ab 2010 die Mehrzweckhalle bei der Schulanlage Mettlen, welche für gewisse Grossveranstaltungen genutzt werden kann. (Generalversammlungen, Pfäffiker Messe).
Seit 2014 steht nun der Dorfsaal Chesselhuus in der ehemaligen Energiezentrale der Huber + Suhner AG an der Tumbelenstrasse für Veranstaltungen bereit. Dort gibt es auch einen Kinosaal, der vom Verein Kultur im Rex bespielt wird.
Ur-Döfli
2003 verkaufte die Immobiliengesellschaft der Brauerei Haldengut das Hotel Bahnhof an eine Wetziker Immobiliengesellschaft. Diese betrieb das Restaurant noch einige Zeit weiter. Als diese mit ihren Umbauplänen nicht weiter kam, vermietete sie die Räumlichkeiten an das Sozialwerk «Pfarrer Sieber», welches seit 2010 in den Räumlichkeiten die Suchthilfeeinrichtung Ur-Döfli betreibt. Diese Einrichtung verfügt über 23 Wohnplätze. Die Bewohner haben alle Einzelzimmer. Im ehemaligen Saal befindet sich eine Werkstatt für die Bewohner. Da die Liegenschaft 2020 an eine Rapperswiler Immobiliengesellschaft weiterverkauft wurde, wird der Mietvertrag in nächster Zeit auslaufen.
Wirtshausleben
Das Hotel Bahnhof war von allem Anfang an ein Zentrum des Gesellschaftslebens von Pfäffikon. Das grosszügige Saalangebot ermöglichte die Durchführung von Vereinsfesten, Versammlungen, Tanzfesten und 1947 auch die Abhaltung von Gottesdiensten während der Renovation der Kirche. 1901 fand anlässlich des Jugendfestes ein Bankett mit 360 Teilnehmern statt. Das Menü: Suppe, Kalbs- und Schweinebraten, Bohnen, Kartoffeln, Torte nebst einem Dreier Schnasberger (= Rotwein) kostete Fr. 1.70. Für dieses Geld gibt es heute nicht mal einen Kaffee. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Hotels Bahnhof (1946) hatten etwa 2500 Hochzeiten, respektive deren Teilnehmende, ihr Festmahl dort eingenommen. Es gab Tage, an denen 3 – 5 Hochzeiten nebeneinander tafelten.
Das Hotel Bahnhof als Filmkulisse
Der 2010 erschienene Schweizer Spielfilm «Hugo Koblet – Pédaleur de Charme» wurde teilweise auch im Hotel Bahnhof gedreht. Dieser Film erzählt die tragische Geschichte des Radrennfahrers Hugo Koblet. Er war der erste internationale Radrennstar der Nachkriegszeit. Der Zürcher Bäckerssohn war auf dem Rad ein Stilist, im Leben ein Frauenschwarm. Kometenhaft aufgestiegen gewann Koblet 1950 den Giro d’Italia. Ein Jahr später die Tour de France. Damit hatte er seinen Zenit erreicht. Koblet wurde von ehrgeizigen Funktionären unter Druck gesetzt und ruinierte sich durch Doping die Gesundheit. 1954 heiratete er ein bekanntes Fotomodel – ein Traumpaar. Nach Beendigung seiner sportlichen Karriere kommt er ins Straucheln: von Konkurs bedroht rast Koblet mit seinem Alfa in einen Baum.
Im Hotel Bahnhof wurden vor allem zwei Szenen gedreht. In der einen wurde Hugo Koblet die Dopingspritze verpasst. In der anderen teilt der Arzt Hugo Koblet mit, dass sein Herz durch die Dopingspritze unwiderruflich stark beschädigt wurde.
Hugo Koblet – Pédaleur de Charme (2010)
Regie: Daniel von Aarburg
Drehbuch: Daniel von Aarburg, David Keller, Martin Witz
Musik: Balz Bachmann
Schauspieler: Manuel Löwensberg (Hugo Koblet), Sarah Bühlmann (Sonja Koblet Bühl), Hanspeter Müller-Drossaart (Präsident Senn), Chantal Le Moign (Mutter Koblet), Max Rüdlinger (Trainer Alex), Dominique Müller (Dölf Koblet), Michael Schweizer Anliker (Göpf Weilenmann), Katharina Winkler (Waltraud Haas), Cheryl Graf (Majorette), Yannick Fischer (Hugo als Bub)
Ausschnitte aus diesem Film und weiteren Filmen, welche teilweise in Pfäffikon gedreht wurden, können im Sommerhalbjahr (Ausnahme Sommerferien) im Museum am Pfäffikersee, jeweils sonntags 14 Uhr bis 17 Uhr angesehen werden.
Quellen und Links
Quellen:
- Antiquarische Gesellschaft Pfäffikon (Hrsg.): Essen und Trinken in Pfäffikon Pfäffiker Wirtschaften, Jahresschrift 5/2014, S. 22
- Gemeinde Pfäffikon ZH (Hrsg.): Pfäffikon – Neues von gestern – Ortsbuch, Pfäffikon 2005, S. 135 ff
- Kunz Hanny u.a.: Der neue Saal im Hotel Bahnhof, Sonderbeilage im Tagblatt des Bezirkes Pfäffikon vom 22.04.1961
Links:
- Webseite des Sozialwerkes Pfarrer Sieber:
https://www.swsieber.ch/was-wir-tun/weiterhelfen/suchthilfeeinrichtung/ - Trailer zum Film Hugo Koblet:
https://ch.video.search.yahoo.com/yhs/search?fr=yhs-trp-001&ei=UTF-8&hsimp=yhs-001&hspart=trp&p=Film+Hugo+Koblet&type=Y143_F163_225899_091823#id=3&vid=8e562c73b1911a4f9896e3beba7594c4&action=click