8 – Haus zur Myrthe

Haus zur Myrthe Seestrasse 1839 30er Jahre
Wohl kein Haus an der Seestrasse hat sich äusserlich so wenig verändert wie das 1839 erbaute Haus zur Myrthe in der Bildmitte. Foto aus den 30er Jahren. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Nach dem Dorfbrand von 1838 wurde dieses Wohnhaus anstelle eines abgebrannten Bauernhauses neu erstellt. 1857 kaufte Jakob Isler dieses Haus und richtete darin eine Handweberei ein. 1871 begann Jakob Isler in einem neu erstellten Fabrikgebäude hinter dem Haus am Dorfbach mit der Pferdehaarspinnerei (die Pfäffiker nannten den Betrieb «Rosshööri»). Es wurden aus Pferdehaar Matratzen und Möbelpolster erstellt. Der Betrieb wurde laufend erweitert. Es wurden neue Fabrikgebäude erstellt. 1961 wurde der Betrieb liquidiert, weil für Polsterungen andere Materialien das Pferdehaar verdrängten. Mit diesem Haus eng verbunden war der Chemiker Jacques Edwin Brandenberger (* 19. Oktober 1872 in Zürich; † 13. Juli 1954 ebenda). Er hatte nämlich 1905 die Tochter des Mitinhabers der Rosshaarspinnerei Isler & Co., Martha Isler, welche im Haus Myrthe aufgewachsen war, geheiratet. Jacques Edwin Brandenberger hatte 1908 die Folie Cellophan erfunden und diese vor allem in Frankreich produziert.

1839Hans Heinrich Bosshard erstellt nach dem Dorfbrand von 1838 anstelle eines Bauernhauses ein Wohnhaus mit dem Namen «Myrthe»
1849Einrichtung einer zweiten Wohnung im Haus
1857Kauf des Hauses durch Jakob Isler
Einrichtung einer Handweberei für Bettbarchent im Keller des Hauses
1871Erstellung eines separaten Fabrikgebäudes hinter dem Haus am Dorfbach
Aufnahme der Fabrikation von gesponnenen Pferdehaaren für Matratzen und Polster
1876Bau eines zweiten Neubaus mit Fabrikations- und Büroräumlichkeiten für die Rosshaarspinnerei
1961Einstellung der Pferdehaarspinnerei
Haus zur Myrthe Seestrasse. Drohnenaufnahme 2014
Das Haus zur Myrthe steht etwa auf halber Höhe der Seestrasse. Drohnenaufnahme von 2014. Quelle: Gemeinde Pfäffikon

Das Haus zur Myrthe steht, vom oberen Dorfbrunnen aus gesehen, auf der rechten Seiten etwa auf halber Höhe der Seestrasse. Baulich blieb es seit seinem Bau im Jahr 1839 praktisch unverändert. Seit das Bühler-Haus auf der anderen Strassenseite Ende der 70er Jahre für den Bau des Dorfmärts abgebrochen wurde, ist es das einzige Haus an der Seestrasse in dessen Erdgeschoss sich bis heute nie ein Ladengeschäft oder ein Restaurant befand.

Haus zur Myrthe Sommer 2020
Das herrschaftlich anmutende Haus zur Myrthe im Sommer 2020. Quelle: picswiss

Das auf diesem Grundstück stehende Bauernhaus brannte beim Dorfbrand von 1838 vollständig ab. Der Eigentümer Hans Heinrich Bosshard baute an dieser Stelle 1839 ein Wohnhaus, dem er den Namen «Myrthe» gab. 1849 richtete er in diesem Haus eine zweite Wohnung ein.

1857 kaufte Jakob Isler, der als Mahlknecht in der Mühle Egli tätig war, das Haus. Er strebte eine selbstständige Tätigkeit an und richtete deshalb im Keller eine kleine Handweberei für Bettbarchent ein. Als der Keller für diese Handweberei zu klein war und die Konkurrenz durch die Maschinenweberei zu gross war, erstellte Jakob Isler ein separates Fabrikgebäude hinter dem Haus am Dorfbach. Er wechselte zur Fabrikation von gesponnenen Pferdehaaren für Matratzen und Polster.

Das Haus ist das prächtigste an der Seestrasse. Es hat baulich keine grossen Veränderungen erfahren.

Das Haus verblieb bis 1936 im Eigentum der Familie Isler. Eine Tochter aus dieser Familie, Martha Brandenberger-Isler, erwarb das Haus durch Erbgang. Seither verblieb das Haus im Eigentum von Angehörigen der Familie Brandenberger.

1857 begann Jakob Isler mit seiner Frau Anna Margaretha im Keller des Hauses «Myrthe» Bettbarchent zu weben. Die Konkurrenz durch die Maschinenweberei wurde immer stärker, sodass sich Jakob Isler entschloss, mit der Produktion von gesponnenen Pferdehaaren für Matratzen und Polster zu beginnen. Dafür erstellte er 1871 ein separates Fabrikgebäude am Dorfbach hinter dem Haus Myrthe. Die Pfäffiker nannten diesen Betrieb «Rosshööri». Nach anfänglichen Schwierigkeiten und mit der Hilfe seiner beiden Söhne Robert und Eugen Isler konnte der Betrieb mit einem weiteren Neubau 1876 erweitert werden.

Illustration Firmengelände «Dampf-Pferdehaar-Spinnerei Isler & Co» Briefkopf von 1895
Illustration des Firmengeländes und dazugehörender Liegenschaften der «Dampf-Pferdehaar-Spinnerei Isler & Co» auf einem Briefkopf von 1895. Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Preisliste Pferdehaar-Spinnerei Isler & Co 1914
Die Aussen- und Innenseite der Preisliste der Pferdehaar-Spinnerei Isler & Co von 1914. Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Eine Bestellung aus Wien von 1926
Eine Bestellung aus Wien von 1926. Quelle Familienchronik Isler

Der Betrieb wurde stetig ausgebaut. Ab 1912 arbeiteten auch die Enkel des Gründers, Robert und Eugen junior, im Betrieb mit. 1937 wurde der Betrieb um die Zurichtung von Pferdehaar für die Besen- und Bürstenindustrie erweitert. Die Pferdehaarspinnerei lag beim alten Dorfkern von Pfäffikon. Dieser mittelalterliche Siedlungskern des Marktortes lag im Halbkreis um die Kirche. Darauf deutet heute noch die Bezeichnung «im Platz» für die einen Halbkreis bildenden älteren Häuser um die Kirche hin.

Liegenschaften der «Rosshööri» Flugaufnahme Walter Mittelholzer 1934
Rot eingefärbt die Liegenschaften der «Rosshööri» auf einer Flugaufnahme von Walter Mittelholzer von 1934. Quelle: Familienarchiv Isler
Rechnung Pferdehaarzurichterei Isler & Co Sommer 1947
Eine Rechnung der Pferdehaarzurichterei Isler & Co aus dem Sommer 1947. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

1961 wurde der Betrieb liquidiert, weil andere Materialien für Polsterungen das Pferdehaar zunehmend verdrängten. Bis dahin war er der leistungsfähigste bedeutendste Betrieb dieser Branche. In die Räumlichkeiten zog dann die Firma Günther & Walker, welche Maschinen für die Lebensmittelbranche erstellte, ein. Diese Firma war 1948 in Zürich gegründet worden. Dessen Inhaber, Adolf Walker, konstruierte für das erste Forellenfest 1971 unter anderem eine 2 Meter lange Chromstahl-Pfanne, welche immer noch im Gebrauch steht. 1971 veräusserte Adolf Walker die Günther & Walker an einen ausländischen Konzern. Adolf Walker kündigte 1976 seine Stelle als Direktor und begann mit der Firma Awema AG wieder für die Süsswarenindustrie Maschinen zu entwickeln. 2015 verlegte die Awema AG ihren Sitz nach Neunforn TG. Seither sind in diesen Räumlichkeiten Wohnungen und Büros untergebracht.

Jacques Edwin Brandenberger

Verbunden mit dem Haus Myrthe war auch der Chemiker Jacques Edwin Brandenberger (* 19. Oktober 1872 in Zürich; † 13. Juli 1954 ebenda). Er hatte nämlich 1905 die Tochter des Mitinhabers der Rosshaarspinnerei Isler & Co., Martha Isler, welche im Haus Myrthe aufgewachsen war, geheiratet.

Jacques Edwin Brandenberger
Jacques Edwin Brandenberger. Quelle: Familienchronik Isler

J. E. Brandenberger war nach der Absolvierung des Technikums Winterthur und einem erfolgreichen Chemiestudium an der Universität Bern in Böhmen und danach in Frankreich tätig. Nach langjährigen und teilweise erfolglosen Versuchen gelang es ihm, ein Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung transparenter Folien aus Cellulose zu entwickeln. Dieses Verfahren konnte er 1908 patentieren lassen. Das neue Produkt nannte Brandenberger «Cellophane», abgeleitet von «cello», was auf das Basismaterial Cellulose hinweisen soll, und vom griechischen Wort «diaphanis», was durchsichtig bedeutet. «Cellophane» wird aus Viskose, einem wasserlöslichen Derivat der Cellulose, hergestellt. Für die Produktion gründete er die Firma «La Cellophane S.A.» in Bezons, Val-d’Oise, Frankreich.

Das erste «Cellophane-Werk» in Bezons, Frankreich, um das Jahr 1920
Das erste «Cellophane-Werk» in Bezons, Frankreich, um das Jahr 1920. Quelle: Delcampe.net.

Nach mehreren Jahren weiterer Forschung und Verfeinerung begann er 1920 mit der industriellen Produktion von Cellophan und verkaufte 1923 die US-Rechte an den Chemiekonzern DuPont. Bis in die 1950er-Jahre erhielt Brandenberger zahlreiche Patente für Herstellungsverfahren und Anwendungen seiner durchsichtigen Folien.

Mit seinen Erfindungen erwarb er ein grosses Vermögen. Damit alimentierte seine Tochter Irma Marthe Brandenberger die Stiftung Dr. J. E. Brandenberger, welche seit 1990 jährlich herausragende Schweizer Persönlichkeiten, die sich um die humanitäre Kultur, den sozialen Fortschritt oder die Hebung des Lebensstandards in besonderer Weise verdient gemacht haben.

Seine Ferien verbrachte er meistens in Pfäffikon im Haus «Myrthe», in einem Weekendhaus am Pfäffikersee und zuletzt auch in der 1943 erstellten Villa in der Baumen neben dem Strandbad. Einen grossen Teil seiner Freizeit verbrachte er mit Fischen auf dem Pfäffikersee.

Quellen:

  • F. S.: Cellophan – der Erfinder: ein Schweizer, in: Zürcher Illustrierte, Nr. 38 vom 18.09.1936
  • Isler Ronald: Familienchronik Isler, Pfäffikon 2005, S. 66 f.
  • Meier Otto: Versorgung – Lob dem alten Dorfbach, in: Heimatbuch der Gemeinde Pfäffikon, Pfäffikon 1983, S. 70.
  • Messmer Patrizia: Die Mutter der Frischhaltefolie – Cellophan wird 115, in: NZZ am Sonntag Magazin vom 24.12.2023, S. 31.
  • Rodel, Gottlieb: La „cellophane“ : Pellicule cellulosique transparente. Gedenkschrift zu Ehren von Herrn Dr. J(acques) E(dwin) Brandenberger, dem Erfinder der Viskose-Transparent-Folie „Cellophane“, Fahrwangen 1955
  • Sfg.: Ein Zürcher erfand das Cellophan – Zum 100. Geburtstag von Jacques Edwin Brandenberger, in: NZZ 19. Oktober 1972
  • Staub Hans Ulrich: Pfäffikon arbeitet – Jakob Isler, in: Heimatbuch der Gemeinde Pfäffikon, Pfäffikon 1962, S. 341 f.


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