12 – Ehemaliges Bezirksgebäude

Gerichtshaus Gefängnis Hochstrasse 1904
Das 1855 erbaute Gerichtshaus auf einer Ansichtskarte von 1904. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

1853 wurde Pfäffikon neben Zürich und Winterthur zum Tagungsort des neu geschaffenen Schwurgerichts bestimmt. Die Gemeinde war verpflichtet, für dieses Gericht geeignete Tagungsräumlichkeiten zu schaffen. Da sie nicht genügend Geld für ein solches Bauvorhaben hatte, baute der Kronenwirt Heinrich Guyer an ihrer Stelle das Bezirksgebäude mit Gefängnis neben seinem Gasthaus. Das Gebäude ging 1916 durch Verkauf an die Gemeinde über. Diese verkaufte das Gebäude 1936 an den Kanton.

1916/17 wurde das Gebäude umgebaut. 1952 brannte der Dachstock aus. Beim Wiederaufbau wurde das Dach nur noch vereinfacht wiederhergestellt. Seit den 1950er-Jahren herrschte immer grössere Platznot in diesem Gebäude. Da Erweiterungsmöglichkeiten nicht vorhanden waren, wurde 1979 ein neues Bezirksgebäude mit Gefängnis an der Hörnlistrasse gebaut. 1996 wurde das ganze Gebäude an einen Privaten verkauft. Heute wird das Gebäude für Büros, Wohnungen und das Museum «Eva Wipf» genutzt.

1831Pfäffikon wird Bezirkshauptort
Der Statthalter, der Bezirksrat und das Bezirksgericht arbeiten vorerst im 1828 erstellten Schulhaus an der Hochstrasse 12
1853Pfäffikon wird neben Zürich und Winterthur als Tagungsort des neu geschaffenen Schwurgerichts bestimmt
1855Der Kronenwirt Heinrich Guyer erstellt auf eigene Rechnung das Bezirks- und Gerichtsgebäude mit Gefängnis an der Hochstrasse 4 (Architekt Johann Caspar Wolff)
1916Verkauf des Gebäudes durch den Kronenwirt Jakob Wyss an die Politische Gemeinde Pfäffikon
1916/17Umbau und Einbau des Schwurgerichtssaals (Architekt Johannes Meier)
1936Verkauf des Gebäudes durch die Gemeinde an den Kanton
1952Brand im Dach macht das Gerichtsgebäude unbenutzbar
1953Wiederaufbau und grössere Innenrenovation
1972Bezirksrat und Statthalteramt ziehen wegen Platzmangels in ein Bürogebäude gegenüber der Katholischen Kirche
1979Bezirksgericht und Gefängnis ziehen in eine neue Anlage an der Hörnlistrasse um
Das alte Bezirksgefängnis bleibt wegen des Mangels an Gefängnisplätzen bis 1995 in Betrieb
1996Übergang des Bezikrsgebäudes in Privateigentum
2002Umbauten im ganzen Haus / Eröffnung Museum Eva Wipf
Gerichtshaus Bezirksgebäude Hochstrasse Drohnenaufnahme von2014
Das ehemalige Gerichtshaus und Bezirksgebäude an der Hochstrasse, schräg vis à vis des Gemeindehauses. Drohnenaufnahme von 2014. Quelle: Gemeinde Pfäffikon

Das Gebäude, das sowohl als Bezirksgebäude, Gerichtshaus und Bezirksgefängnis diente, steht an der Hochstrasse Richtung Wetzikon, gleich anschliessend an den Gasthof zur Krone. Erbaut wurde es 1855 vom Kronenwirt Heinrich Guyer. Zusammen mit der Kronenscheune, an deren Stelle heute das Haus mit der Metzgerei Hotz steht, bildeten die drei Häuser mitten im Dorfzentrum ein eindrückliches Ensemble.

Kronenscheune Bezirksgebäude Gasthof Krone Liegenschaften von Heinrich Guyer
Von links: Kronenscheune, Bezirksgebäude und Gasthof Krone. Frühe naive Darstellung der Liegenschaften von Heinrich Guyer. Quelle: Sammlung Pfister

Im Zuge der Verfassungsrevision von 1831 bestimmte der Kantonsrat aufgrund der guten Verkehrsverbindungen Pfäffikon zum Bezirkshauptort und Sitz der Bezirksverwaltung. Die Bezirkshauptorte waren verpflichtet, für die Bezirksverwaltung Lokalitäten zur Verfügung zu stellen. Pfäffikon kam dieser Verpflichtung nach, indem das 1828 erbaute Schulhaus an der Hochstrasse 12 für die Zwecke der Bezirksverwaltung umgebaut wurde.

1832 – 1855 erstes Bezirksgebäude Hochstrasse 12
Das Haus Hochstrasse 12 das von 1832 – 1855 als erstes Bezirksgebäude genutzt wurde. Foto aus den 30er Jahren.

Nach Einführung des Schwurgerichts wurde Pfäffikon nebst Winterthur und Zürich Tagungsort dieses Gerichts. Um den grösseren Raumbedürfnissen zu genügen, erklärte sich der Kronenwirt Heinrich Guyer bereit, ein entsprechendes Gebäude auf eigene Kosten zu erstellen. Die Zivilgemeinde hatte damals nicht genügend Geld, um diese Aufgabe zu erfüllen. Heinrich Guyer hoffte, dass das Personal und die Besucher des Bezirksgebäudes als Gäste seinen Gasthof aufsuchen würden.

Erste Pläne des Kronenwirts Heinrich Guyer für ein Gerichtshaus mit Gefängnis wies die kantonale Polizeidirektion zurück. Der nachmalige kantonale Bauinspektor Johann Caspar Wolff (1818 – 1891) entwarf daraufhin ein neues Projekt. Dieses fand die Gnade der kantonalen Instanzen. Die Zivilgemeinde Pfäffikon und der Kronenwirt Guyer regelten die Ausführung des Bauvorhabens vertraglich. Guyer wurde ein Darlehen von Fr. 30’000.00 in Aussicht gestellt. Guyer erfüllte die im Vertrag ausgeführten Versprechungen nicht. Er begann vertragswidrig nicht mit dem Bau. Die Zivilgemeinde ging gegen Guyer gerichtlich vor und konnte so die Ausführung des Baus erzwingen. Im Juli 1855 war das Gebäude fertiggestellt.

Plan Gerichtshaus Kronenwirt Heinrich Guyer
Plan für das neue Gerichtshaus das Kronenwirt Heinrich Guyer privat erbauen liess.
Kronenscheune Gerichtshaus Bezirksgebäude Gefängnis, Illustration Jakob Adolf Honegger um 1870
Von links: Kronenscheune, Gerichtshaus, Gasthof Krone und Villa Hanhart (heute Gemeindehaus). Illustration von Jakob Adolf Honegger, um 1870. Quelle: Sammlung Pfister

Für den Unterhalt und die Heizkosten erhielt der Kronenwirt via Gemeinde vom Kanton eine jährliche Entschädigung.

Regierungsratsbeschluss Entschädigung für Heizung und Unterhalt Kronenwirt Unterschrift Staatsschreiber Gottfried Keller
Regierungsratsbeschluss vom 12.01.1876 betreffend Erhöhung der Entschädigung für Heizung und Unterhalt an die Gemeinde bzw. an den Kronenwirt Rudolf von Tobel mit Unterschrift des damaligen Staatsschreibers Gottfried Keller, besser bekannt als Nationalschriftsteller. Quelle: Staatsarchiv des Kantons Zürich

Transkription dieses Regierungsratsbeschlusses durch das Staatsarchiv:

Der Regierungsrath nachdem sich ergeben:

A. An den Bezirkshauptort Pfäffikon ist bisher für die Bezirkslokalitäten, deren Unterhaltung, Reinigung und Beheizung eine jährliche Entschädigung von Frk. 2000 bezahlt worden.

B. Das Gesetz vom 29. Wintermonat 1874 gestattet Erhöhung dieser Entschädigung bis auf Frk. 3000.

C. Aus den Berichten des Statthalteramtes und über die stattgehabten Inspektionen geht hervor:

1. Es mangelt eine Lokalität, in welcher die Gefangenen mit Holzscheiten etc. beschäftigt werden könnten. Indessen kann eine solche Lokalität im Erdgeschoße ganz leicht hergestellt werden.

2. Der Gefangenwart wohnt zur Zeit nicht im Gerichtsgebäude, sondern es ist die daselbst befindliche Wohnung anderweitig vermiethet.

3. In einigen, namentlich in den getäfelten Zimmern sind Ausbesserungen nöthig, // [p. 90] auch ist theilweise der Anstrich zu erneuern;

4. nach Einsicht eines Antrages der Justiz- und Polizeidirektion, beschließt:

  1. Die jährliche Entschädigung an den Bezirkshauptort Pfäffikon wird vom 1. Jenner 1874 an auf Frk. 2800 erhöht, in der Meinung jedoch, daß die Wohnung im Bezirksgebäude jederzeit ohne Entschädigung für den Gefangenwart beansprucht werden könne, und den unter 1 und 2 bezeichneten Mängeln sofort abgeholfen werde.
  2. Falls der Regierungsrath sich nach eingeholtem Expertengutachten veranlaßt sehen sollte, zu verlangen, daß die Holztreppen im Gefängißbau durch steinerne Treppen ersetzt werden, so würde die Entschädigung auf das Maximum von Fr. 3000 erhöht.
  3. Mittheilung an den Gemeindrath Pfäffikon, an den Bezirksrath und das Bezirksgericht Pfäffikon und an die Finanzdirektion.


1916 verkaufte der Kronenwirt Jakob Wyss dieses Gebäude an die Politische Gemeinde Pfäffikon. Im Zuge des Verkaufes erstellte der Baumeister Heinrich Meier Pläne für einen allfälligen Umbau und Sanierung des Gebäudes. Der Architekt Johannes Meier (1871 – 1956), Wetzikon, überprüfte die Pläne und ergänzte sie. Unter seiner Leitung wurde ein umfassender Innenumbau vorgenommen. Er gestaltete vor allem den Schwurgerichtssaal neu. Am 29. Dezember 1936 erwarb der Kanton Zürich das Pfäffiker Bezirksgebäude für Fr. 200’000.00.

Kronenscheune Mitte der 20er Jahre
Die Kronenscheune Mitte der 20er Jahre. Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Abbruch Kronenscheune Anfang der 30er Jahre
Abbruch der Kronenscheune Anfang der 30er Jahre, rechts die Seitenfront des Bezirksgebäudes und des Gefängnisses. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Am Sonntagnachmittag, 10. August 1952, spielte der Sohn des Gefängnisverwalters im Estrich mit bengalischen Zündhölzern und verursachte einen Brand. Der Dachstock brannte vollständig ab, während die darunterliegenden Geschosse schwere Wasserschäden erlitten. Am 11. August 1952 orientierte das Wochenblatt von Pfäffikon über das Brandunglück und äusserte sich darin auch zum Zustand des Schwurgerichtssaales:
«Die Decke des Schwurgerichtssaales sieht heute aus wie eine Strasse nach einem Regenguss. Da und dort bröckelt Gips von den Wänden und von der Decke, und grosse, dunkle, feuchte Flecken zeigen das Durchsickern des Löschwassers an. Immerhin ist der Wasserschaden nicht so gewaltig, wie es anfänglich aussah (…). Im Schwurgerichtssaal wurden die grossen Leuchter von der nassen Decke herabgenommen, da man damit rechnen musste, dass sie sich lösen und niederstürzen könnten.»

Die Gefangenen mussten in das alte Bezirksgefängnis in Hinwil verlegt werden. Gericht, Statthalter und Bezirksrat mit ihren Mitarbeitern fanden Unterschlupf gegenüber im Gemeindehaus. Bereits kurz nach dem Brandfall setzte die Diskussion bezüglich Neubaus beziehungsweise Instandstellung des Brandobjektes ein. Gesprochen wurde auch darüber, ob Pfäffikon weiterhin das Schwurgericht jeweils für einige Wochen tagen sollte. Diese Diskussionen verhinderten einen sofortigen Wiederaufbau. Kurzfristig wurde lediglich ein Notdach erstellt.

Bezirksgebäude Brand Dachstockbrand 1952 Foto Lilly Treichler
Das Bezirksgebäude nach dem Brand vom 10. August 1952. Foto von Lilly Treichler. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Ende Januar 1953 lehnte das Zürcher Obergericht die Streichung Pfäffikons als Tagungsort des Schwurgerichtes ab. Dies bewog auch den Regierungsrat, von einem Neubau abzusehen und den Altbau möglichst rasch wieder instand zustellen.

Viele Pfäffiker störten sich an dieser Brandruine mitten im Dorf. Nachtbuben brachten dann im August 1953 am Gerüst des Bezirksgebäudes eine Fahne mit dem Text «Ein Jahr ist vorüber!» an. Leise Nachforschungen der Polizei nach den Übeltätern verliefen ergebnislos. Der ehemalige Inhaber der Elektrofirma Krebs AG, Albert Krebs, war aber nach unseren Informationen einer der «Täter»!

Zeitungsausschnitt Volkszeitung August 1953
Zeitungsausschnitt aus der Volkszeitung vom August 1953. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Bei der Instandstellung wurde das Dachgeschoss nur noch vereinfacht wiederhergestellt. Verzichtet wurde auf die giebelseitig eingezogene Traufe und das Kranzgesims mit Zahnschnittfries. 1972 hatte mit der Abtrennung der Bezirksanwaltschaft vom Statthalteramt das zusätzliche Personal der Bezirksanwaltschaft im Bezirksgebäude keinen Platz mehr. Deshalb zogen der Statthalter und der Bezirksrat in ein neu erstelltes Bürogebäude gegenüber der katholischen Kirche.

Schon nach dem Brand 1952 und vermehrt später kam der Ruf nach einem neuen Bezirksgebäude auf. Der Platzmangel war permanent. Auch die Zustände im Gefängnis waren prekär. Die Gefangenen mussten ihre Notdurft in Kübeln verrichten, welche am Morgen vom Gefängnispersonal eingesammelt wurden. Es fehlten auch Arbeitsräumlichkeiten. Erweiterungsmöglichkeiten bestanden keine, weil das Bezirksgebäude rund um von Bauten umgeben war. Erst 1977 konnte mit den Bauarbeiten für ein neues Bezirksgebäude an der Hörnlistrasse begonnen werden, nachdem das Zürcher Stimmvolk die entsprechende Bauvorlage (Kredit von Fr. 14’330’000.–) gutgeheissen hatte. Am 1. Oktober 1979 war der Neubau vollendet und bezugsbereit.

Fotos der Denkmalpflege des Kantons Zürich aus den 60er Jahren

Bezirksgebäude Bezirksgericht Gerichtssaal 60er Jahre
Der Gerichtssaal: Im Vordergrund Zuschauerbänke, in der Mitte die Plätze für die Parteien und deren Anwälte, hinten links die Geschworenenbank und in der Mitte das Gericht. Quelle: Denkmalpflege des Kantons Zürich
Bezirksgebäude Bezirksgericht Gerichtssaal 60er Jahre
Der Gerichtssaal: in der Mitte das Pult des Gerichtsschreibers, rechts die Geschworenenbank und hinten die Zuschauerbänke und links der Platz des Gerichtsweibels. Quelle: Denkmalpflege des Kantons Zürich
Bezirksgebäude Bezirksgericht Büro Gerichtsschreiber 60er Jahre
Das Büro des Gerichtsschreibers. Quelle: Denkmalpflege des Kantons Zürich

Die leerstehenden Räumlichkeiten wurden von da an teilweise von der Brockenstube des Gemeinnützigen Frauenvereins genutzt und teilweise als Büro vermietet. Das alte Gefängnis wurde wegen des Mangels an Gefängnisplätzen im Kanton noch bis 1995 genutzt, allerdings nur noch für harmlosere Delinquenten. Die Zellen waren zu klein und verfügten über keine Toiletten, was zunehmend untragbar wurde. Nach der Schliessung des Gefängnisses richtete der Kronenwirt Palermo im Gefängnishof für einige Jahre eine Gartenwirtschaft ein.

1996 wurde das ganze Gebäude an einen Privaten verkauft. Dieser hatte beim sanften Umbau zahlreiche Denkmalschutzauflagen zu beachten. In einem Teil des Gefängnisses wurden Wohnungen eingebaut. Diese erhielten auf der Südwestseite Balkone. Einige Räumlichkeiten vermietete er als Büros.

Seit 2002 betreibt der Verein Eva Wipf im 1. Stock des Gefängnistraktes das Museum Eva Wipf und hat eine ständige Ausstellung mit Werken von Eva Wipf eingerichtet. Der Verein Museum Eva Wipf betreut den Nachlass der surrealistischen Schweizer Künstlerin Eva Wipf (1929 – 1978). Werke von ihr befinden sich unter anderem in den Sammlungen des Kunsthauses Zug, des Museums zu Allerheiligen Schaffhausen, des Kunstmuseums Thurgau in Ittingen, sowie des Kunsthaus Zürich und dem Aargauer Kunsthaus. Daneben organisiert der Verein zwei Mal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, im Forum des Alten Bezirksgebäudes eine Wechselausstellung mit regionalen Künstlerinnen und Künstlern.

Ehemaliges Bezirksgebäude und Gasthof Krone
Das ehemaliges Bezirksgebäude mit dem rechts anschliessenden Gasthof Krone. Foto von 2020. Quelle: picswiss.ch

Im Bezirksgebäude arbeiteten verschiedene Behörden.


Bezirksgericht

Das Bezirksgericht bestand anfänglich aus 5 Mitgliedern, welche alle 6 Jahre von den Stimmberechtigten des Bezirkes in ihr Amt gewählt wurden. Diese waren alles juristische Laien. Sie fällten ihre Urteile nur aufgrund ihrer Lebenserfahrung und dem gesunden Menschenverstand. Sie wurden durch den juristisch ausgebildeten Gerichtsschreiber unterstützt. Erst 1984 erhielt der Bezirk Pfäffikon mit lic. iur. Paul Schneeberger den ersten juristisch ausgebildeten Präsidenten. Seit 2016 können keine Laien mehr in das Bezirksgericht gewählt werden. Zuständig war und ist das Bezirksgericht für alle Arten von Zivilprozessen (Ehescheidungen, Forderungen, Nachbarstreitigkeiten etc.). Sodann urteilt es in Strafprozessen. Geschäfte von geringerer Bedeutung wurden durch den Gerichtspräsidenten als Einzelrichter behandelt.


Statthalter

Mit der Mediationsverfassung von 1803 wurde das Kantonsgebiet erstmals in 5 Bezirke eingeteilt (Horgen, Zürich, Bülach, Uster und Winterthur). Die Restaurationsverfassung von 1814 löste diese Einteilung durch 11 Oberämter ab. Pfäffikon gehörte dabei zum Oberamt Kyburg. Dem Oberamt stand als Vertreter der Regierung der Oberamtmann vor. Die Verfassung von 1831 löste die Oberämter durch Bezirke ab. Wegen der guten Verkehrsverbindungen wurde Pfäffikon zum Bezirkshauptort ernannt. Die Oberamtmänner hiessen nun Statthalter. Dessen Aufgaben wandelten sich im Verlaufe der Zeit:

  • Der Statthalter beaufsichtigt die Stadt- und Gemeindepolizeien, die Feuerwehren und die Feuerpolizei sowie das Strassenwesen der Gemeinden.
  • Der Statthalter vollzieht das Übertretungsstrafrecht von Bund und Kanton. Dabei handelt es sich vor allem um Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes.
  • Der Statthalter ist auch Präsident des Bezirksrates.


Der Statthalter wird von den Stimmberechtigten des Bezirkes gewählt. Die meisten Statthalter in der Vergangenheit hatten keinerlei oder nur dürftige juristische Kenntnisse. Bis 1972 amtete der Statthalter neben seinen anderen Aufgaben auch als Untersuchungsrichter. Dann wurde wie schon früher in anderen Bezirken die Funktion des Untersuchungsrichters abgetrennt und einem ordentlichen Bezirksanwalt übertragen. In dieses Amt wurde lic. iur. Paul Schneeberger gewählt. Heute ist Erkan Metschli Statthalter.


Bezirksrat

Eine wichtige Aufgabe des Bezirksrats ist die Beaufsichtigung der Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften in seinem Bezirk. Er führt dazu Visitationen bei den Gemeinden, Zweckverbänden und öffentlich-rechtlichen Anstalten durch. Sodann prüft er die Gemeinderechnungen.

Eine wichtige Aufgabe ist auch die Aufsicht über Stiftungen und Heime. Seit 2013 ist der Bezirksrat auch erste Rechtsmittelinstanz gegen Entscheide der Entscheide der Kindes- und Erwachsenenschutz-Behörde (KESB). Der Bezirksrat wird vom Statthalter präsidiert. Ihm zur Seite stehen zwei ordentliche Mitglieder. Beim Ausfall eines Mitgliedes kann auf zwei Ersatzmitglieder zurückgegriffen werden.

Gruppenporträt Bezirksrat Pfäffikon, 5. Mai 1929
Gruppenporträt Bezirksrat Pfäffikon, 5. Mai 1929. In der Mitte stehend Statthalter Fritz Flachsmann, Hittnau (1865 – 1934) im Amt 1917 – 1934,. Quelle: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

Bezirksanwaltschaft

Bis 1972 war der Statthalter zugleich auch ordentlicher Bezirksanwalt. Erst dann wurde das Amt des Statthalters und das Amt des Bezirksanwaltes getrennt. Der Bezirksanwalt war zuständig für die Verfolgung von Straftaten von erwachsenen Personen im Bezirk Pfäffikon. Für schwierigere Fälle oder bei Arbeitsüberlastung konnte er auf ausserordentliche Bezirksanwälte zurückgreifen.


Jugendanwaltschaft

Die Strafverfolgung für Jugendliche besorgte ein Jugendanwalt. Anfänglich war dies ein Mitglied des Bezirksgerichtes. Später wurden spezielle Jugendanwälte, zuständig für mehrere Bezirke, eingesetzt.

Geschichte des Schwurgerichts

Nach der seit 1831 geltenden Organisation der Strafrechtspflege im Kanton Zürich wurden die leichteren Fälle durch die Bezirksgerichte beurteilt. Ein Kriminalgericht behandelte demgegenüber die schwereren Verbrechen. Die Strafuntersuchung war damals geheim und schriftlich. Die mangelnde Öffentlichkeit vor allem bei der Behandlung von schweren Straftaten befriedigte immer weniger.

Der Regierungsrat ermöglichte dem Staatsanwaltsubstituten (= Stellvertreter des Staatsanwaltes) und nachmaligen Regierungsrat, Ständerat und Professor Johann Jakob Rüttimann (1813-1876) einen Studienaufenthalt in London, um dort das englische Strafverfahren zu studieren. Aufgrund seines Berichtes wurde 1851 in der Verfassung das Schwurgericht zur Beurteilung schwerer Verbrechen eingeführt.

Im Gesetz betreffend das Gerichtswesen im Allgemeinen von 1852 wurde Pfäffikon neben Zürich und Winterthur als Tagungsort für das Schwurgericht bestimmt. Das Schwurgericht bestand aus 3 Richtern aus dem Obergericht oder aus den Bezirksgerichten. Daneben amtierten 12 Geschworene, später nur noch 9. Die Geschworenen, damals nur Männer, wurden als Laien aus dem Volk gewählt. Aufgrund der Bevölkerungszahl figurierten ca. 1250 Männer auf einer Liste. Aus dieser Liste wurden einige Wochen vor der betreffenden Gerichtssession 36 Geschworene ausgelost. Der Staatsanwalt und die Verteidigung konnten 12 so nominierte Geschworene ablehnen. Für die Geschworenen bestand Amtszwang. Sie erhielten für ihre Tätigkeit, welche sich über mehrere Wochen erstrecken konnte, nur ein bescheidenes Taggeld.


Zuständigkeit und Verfahren

Das Schwurgericht war unter anderem zuständig für folgende Delikte:

  • Hochverrat und Landesverrat
  • Münzfälschung
  • Notzucht, Schändung, Blutschande, Bigamie und widernatürliche Wollust (= Geschlechtsverkehr mit einem Mann)
  • Vorsätzliche und fahrlässige Tötung
  • Schwere Körperverletzung
  • Raub und Erpressung
  • Einfacher Diebstahl und Unterschlagung bzw. Betrug über Fr. 300.– (heute ca. Fr. 3’200.–)
  • Absichtliche Brandstiftung und Verursachung von Überschwemmung, alle gemeingefährlichen Eigentumsschädigungen, z. B. an Eisenbahnen, Dampfmaschinen usw., ohne Rücksicht auf ihren Betrag, so wie böswillige Eigentumsschädigung über Fr. 300.–
  • Bestechung und Amtserschleichung, vorsätzliche Verletzung der Amtspflicht von kantonalen Beamten


Dieser Katalog wurde im Verlaufe der Jahre teilweise reduziert und die Deliktssummen an die Geldentwertung angepasst.

Probleme bereiteten dem Schwurgericht ab den 1920er-Jahren vor allem die steigende Zahl der fahrlässigen Tötungen bzw. Körperverletzungen im Strassenverkehr. Zudem taugte das Schwurgerichtsverfahren für Wirtschaftsdelikte, bei denen vor allem Akten (Buchhaltungen, Zahlungsbelege etc.) eine grosse Rolle spielten und Fachkenntnisse erforderlich waren, kaum. Das Verfahren war mündlich. Dem Gericht wurden alle Beweise (Akten, Zeugen, Befragung des Angeklagten) während des Prozesses unmittelbar präsentiert.

Kennzeichen des Verfahrens war, dass den Geschworenen am Schluss des Prozesses vom Gerichtspräsidenten ein Fragekatalog zu den Elementen der einzelnen Delikte unterbreitet wurde, welche diese nur mit Ja oder Nein beantworten mussten. Die Geschworenen wurden dann in einem Raum eingeschlossen und mussten diesen Fragekatalog beantworten.

Aufgrund der Beantwortung der Geschworenen bestimmten dann die drei Richter das Strafmass. Da nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches des Bundes 1942 Strafurteile vollumfänglich durch das Bundesgericht überprüft werden konnten, ergab sich für die Urteile des Schwurgerichts das grosse Problem, dass diese eigentlich keine taugliche Begründung enthielten. Es dauerte aber noch mehr als 20 Jahre, bis 1967 die Strafprozessordnung des Kantons Zürich an die bundesrechtlichen Vorgaben angepasst wurde. Die Änderung bestand hauptsächlich darin, dass die Richter und die Geschworenen gemeinsam über das Urteil berieten. Für eine Session wurden nach der neuen Regelung jeweils 36 Geschworene ausgelost. Davon konnten die Prozessparteien je vier ohne Begründung ablehnen. Von den Verbliebenen wurden zwölf Geschworene aufgeboten. Aus diesen wurden dann am ersten Tag einer Session neun ausgelost. Auch die Zuständigkeiten des nun «Geschworenengericht» genannte Spezialgerichts wurden drastisch reduziert. Das Geschworenengericht war nur noch unter anderem für folgende Delikte zuständig:

  • Vorsätzliche Tötung
  • Mord
  • Totschlag
  • Schwere Körperverletzung
  • Raub und Erpressung
  • Freiheitsberaubung und Entführung
  • Brandstiftung


Wenn der Angeklagte den eingeklagten Sachverhalt anerkannte und sich schuldig erklärte, war das Obergericht für diesen Fall zuständig. Mit Einführung der eidgenössischen Strafprozessordnung am 01.01.2011 wurde das Zürcher Geschworenengericht abgeschafft. Anfänglich behandelte das Schwurgericht im Jahr ca. 40 – 50 Fälle. Ab 1968 waren es dann nur noch zwischen 10 – 20 Fälle pro Jahr.

Dornröschens Revanche Märchenschloss Pfäffikon Karikatur Berner Tagblatt 1944
«Dornröschens Revanche»: die romantische Nacht im Märchenschloss zu Pfäffikon. Karikatur im Berner Tagblatt vom 30. Januar 1944. Quelle: Berner Tagblatt

«Liebe öffnet Kerker», «Der Casanova vom Pfäffikon» «Knüttels „Befreiungskomitee“», oder «Befreiung und Flucht des Spions Emil Knüttel» waren 1944 die Schlagzeilen in den Schweizer Zeitungen. Das beschauliche Pfäffikon war unversehens dem Gespött der ganzen Schweiz ausgesetzt.

Was war geschehen?
Im Mai 1943 wurde der Angestellte der deutschen Gesandtschaft, Emil Knüttel, durch das Territorialgericht 2a in Bern zu 15 Jahren Zuchthaus wegen Spionage zu Gunsten Nazideutschlands verurteilt. Vom Sommer 1942 bis Frühjahr 1943 war er als Untersuchungsgefangener im Bezirksgefängnis Pfäffikon inhaftiert. Auch nach seiner Verurteilung konnte er aufgrund eines Versehens der Vollzugsbehörden in diesem Gefängnis verbleiben.

Er musste ein charmanter Lebemann gewesen sein. Er, obwohl er schon verheiratet war und Kinder hatte, freundete sich mit der 32-jährigen Tochter des Gefängnisverwalters, Dorli Müller, an. Dorli lebte zurückgezogen immer noch bei ihren Eltern. Die beiden trafen sich immer wieder in der Zelle von Knüttel. Der Gefängnisverwalter Jakob Müller gewährte Emil Knüttel, ohne dass er von der Beziehung des Spions zu seiner Tochter wusste, grosse Freiheiten: Seine Zelle wurde auch nachts nicht abgeschlossen. Er konnte sich frei im Büro, Stube, Küche und Estrich bewegen. Im Estrich bastelte er für die Tochter einen Radioapparat. Die Wohnung hatte einen Ausgang durch das öffentliche Gerichtsgebäude ins Freie. Die Tochter liess auf Veranlassung des Spions Emil Knüttel sogar die Schlüssel zum Gefängnistrakt und zu seiner Zelle kopieren. Am Silvester war es dann soweit. Die Tochter meldete sich bei ihren Eltern für einen Ball in Zürich ab, fuhr aber von Zürich aus mit dem Taxi nach Pfäffikon. Einige Tage vorher hatte sie noch von ihrem Sparheft Fr. 2’000 abgehoben. Sie befreite Emil Knüttel. Beide fuhren nach Zürich und danach nach Bern. Sie versuchten vergeblich auf der deutschen Gesandtschaft eine Ausreise nach Deutschland zu organisieren. Sie kehrten darauf hin nach Zürich zurück und hielten sich bei Bekannten und Verwandten auf. Der Gefängnisverwalter Müller nahm in der Neujahrsnacht an einer Feier teil und war deshalb zur Zeit der Gefangenenbefreiung nicht im Hause anwesend. Der Gefängnisverwalter bzw. seine Köchin stellten erst bei der Verteilung des Morgenessen am Neujahrsmorgen das Fehlen von Emil Knüttel fest. Einen Zusammenhang mit dem Ausbleiben seiner Tochter sah er vorerst nicht, da er von der Liebschaft seiner Tochter mit dem Spion nichts wahrgenommen hatte.

Aufgrund einer Ausschreibung im Schweizerischen Polizeianzeiger wurden die Tochter am 22.01.1944 auf dem Üetliberg und Emil Knüttel am 24.01.1944 in Zürich verhaftet.

Fahndungsfoto Emil Knüttel Dora Müller Schweizerischer Polizeianzeiger vom 13. Januar 1944
Fahndungsfotos von Emil Knüttel und Dora Müller im Schweizerischen Polizeianzeiger vom 13. Januar 1944.

Neben zahlreichen Artikeln und einer Interpellation im Zürcher Kantonsrat wurde die ganze Geschichte auch von einer lustigen Seite her beleuchtet:

Radio Beromünster 20. Februar 1944 Don Emilio und Donna Dorina – traurige Oper in drei Akten
Radio Beromünster brachte am Sonntagabend, 20. Februar 1944 eine Sendung «Don Emilio und Donna Dorina – traurige Oper in drei Akten». Quelle: Schweizer Radiozeitung, Nr. 7 1944

Das Bezirksgericht Uster verurteilte die Tochter für die Befreiung des Spions Emil Knüttel zu 8 Monaten Gefängnis unbedingt. Ihr Vater, Jakob Müller, erhielt wegen Amtsmissbrauches 14 Tage Gefängnis unbedingt. Das Obergericht erhöhte diese Strafe noch auf 21 Tage Gefängnis. Ihm wurde vorgeworfen, die Flucht zu spät gemeldet zu haben und die Schlüssel nicht genügend sorgfältig aufbewahrt zu haben. Viel schlimmer für ihn war es, dass er in seinem Amt eingestellt wurde und sämtliche Pensionsansprüche verlor. Spion Emil Knüttel erhielt für seine Flucht nur eine Disziplinarstrafe.

Jakob Müller, seine Frau und Dorli Müller zogen dann nach Zürich. Jakob Müller schlug sich fortan mit Gelegenheitsarbeiten durch. Er verkaufte Christbäume und half in einer Wäscherei aus. Dorli Müller arbeitete nach der Verbüssung ihrer Gefängnisstrafe im Büro eines Lampengeschäfts. Sie fand dann spät noch ihr Liebesglück bei einem verwitweten Unternehmer, den sie 1959 heiratete. Sie verstarb 1999.

Emil Knüttel wurde 1952 aus der Strafanstalt Regensdorf entlassen und nach Deutschland ausgeschafft. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Porträt von Emil Knüttel
Porträt von Emil Knüttel. Quelle: WOZ 11.02. 2010, bzw. Bundesarchiv
Dorli Müller Jakob Müller Familienfeier 1954
Aussen links Dorli Müller, aussen rechts Jakob Müller anlässlich einer Familienfeier in Pfäffikon 1954. Quelle: Fotosammlung Rolf Kläui

Quellen:

  • Auskünfte von lic.iur. Paul Schneeberger (ehemaliger ordentlicher Bezirksanwalt des Bezirkes Pfäffikon bzw. vollamtlicher Präsident des Bezirksgerichtes Pfäffikon)
  • Fehr Max: Das Zürcherische Geschworenengericht, Diss. Zürich 1974 (1975).
  • F. H.: Knüttels «Befreiungskomitee» – Die Pfäffikoner Affäre vor dem Bezirksgericht Uster, in: Nationalzeitung, 08.05.1944, S. 3.
  • Frei Werner: Hinter Gittern sind Mieter – Neues Leben in Sälen, Amtsstuben und Zellen des alten Bezirksgebäudes, in: Zürcher Oberländer vom 12.04.2001, S. 17
  • Huber Christian (damals Präsident des Geschworenengerichts des Kantons Zürich): Geschworenengericht – alter Zopf oder moderne Wahrheitsfindung?, in: NZZ 30.09.1996.
  • Kamber Peter: Ein Schweizer namens Fürst, in: WOZ, 11.02.2010, S. 7
  • Kamber Peter: «Geheime Agentin», Berlin 2010 (In diesem Roman beschreibt Peter Kamber unter anderem die Geschichte von Emil Knüttel und der Flucht aus dem Gefängnis mithilfe der Tochter des Gefängnisverwalters anschaulich).
  • N. N.: Befreiung und Flucht des Spions Emil Knüttel, in: NZZ vom 08.05.1944.
  • Schudel Robert Jul.: Das zürcherische Schwurgericht, Diss. Zürich 1914.

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