4 – Gasthof Hecht

Gasthof Hecht Kirchenplatz Usterstrasse um 1925
Der Gasthof Hecht beim Kirchenplatz um 1925. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Der «Hecht» ist die älteste Wirtschaft von Pfäffikon und prägt, auch architektonisch, den Kirchenplatz. Bereits 1463 wurde hier gewirtet. 1595 erhielt die Wirtschaft das Tavernenrecht. Das Hauptgebäude mit dem Mansardendach wurde um 1800 so erstellt, wie es heute noch dasteht. Zum «Hecht» gehört das Nebengebäude an der Ostseite, in welchem ein Lädeli und Wohnungen eingerichtet sind. Eine Gartenwirtschaft mit altem Baumbestand lädt westseitig zum Verweilen. Eigentümer und Wirte wechselten, aber über all die Jahrhunderte spielte der Hecht für das soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Dorf eine zentrale Rolle. Erhalten geblieben über all diese Zeiten sind die weit herum bekannte gut bürgerliche Küche und die immer freundliche Bedienung.

1463Erste Erwähnung einer Wirtschaft von Hensly Tobig im Steuerrodel von Zürich
1595Obrigkeit bewilligt Pfäffikon drei Tavernen: Hecht, Krone, Gelber Löwen
1596Der Name «Hecht» erscheint zum ersten Mal in einer Kyburger Vogtrechnung
1671Pfäffikon verliert die Landschreiberei – Auswirkungen auf das Gastgewerbe
Um 1800Nach einem Brand bekommt der Gasthof seine heutige Gestalt, Fassade und Mansardendach
1807Noch keine Usterstrasse, Adresse: Hecht am Pfarrplatz 47, Eigentümer Hans Heinrich Schlumpf
1816Verkauf an die Brüder Marx und Jakob Näf
1840Johannes Hanhart übernimmt den «Hecht»
1852Wochenblatt von Pfäffikon entsteht; Johannes Hanhart nutzt diese neue Werbemöglichkeit
1855Hanhart verkauft an Bollinger
1876Bollinger verkauft an Scheller
1890Scheller verkauft an Frick
1899Die Familie Leemann übernimmt von Johannes Frick den «Hecht» und führt ihn Jahrzehnte lang
1941General Guisan besucht den «Hecht»
1948Die Erben Leemann verpachten die Wirtschaft an verschiedene Pächter
1956Neuer Eigentümer wird Wirt Robert Etter
1975«Hecht» wegen Umbau geschlossen
1976Familie Häubi wirtschaftet erfolgreich im «Hecht»
1984Die Tollhammer AG kauft von Robert Etter den «Hecht» und renoviert ihn von Grund auf
1986Max Häfeli übernimmt und lässt dem «Hecht» Kultstatus angedeihen
2016Sperrungen der Usterstrasse ruinieren Max Häfelis Existenz, er muss aufgeben
2016Die Druckerei Schellenberg AG kauft den «Hecht» und investiert grosszügig
Flugaufnahme von Walter Mittelholzer von 1932, Gasthof Hecht
Der Gasthof Hecht auf einer Luftaufnahme von Walter Mittelholzer aus dem Jahr 1932. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Der Gasthof «Hecht» ist der älteste Gasthof in Pfäffikon und steht am Kirchplatz. Er ist zur Usterstrasse hin orientiert, welche seit Jahrhunderten die Querverbindung von Uster ins Tösstal herstellt: entweder über die Usterstrasse-Rappengasse-Hittnauerstrasse nach Hittnau oder über die Usterstrasse-Seestrasse-Frohwiesstrasse nach Russikon. Der «Hecht» bildet zusammen mit den umliegenden Gebäuden ein markantes Ensemble im Kern des unteren Dorfes rund um die Kirche. Dazu gehören die Kirche, das Kirchgemeindehaus (ehemaliges Pfarrhaus), das Restaurant Brauerei, das Blumengeschäft (ehemalige Metzgerei), das Souvenirlädeli (ehemals VOLG-Lädeli), die angrenzenden Häusergruppen im Cher und an der Usterstrasse. Bis ins 20. Jahrhundert sorgten Geschäfte, welche Produkte des täglichen Lebens verkauften und weiteres Gewerbe für einen regen Betrieb. Mitten im Kirchplatz stand eine weitere Liegenschaft, welche 1963 dem Verkehr zum Opfer fallen musste. Dadurch wurde aber auch der Platz grosszügig und erfuhr damit eine markante Aufwertung. Er bietet heute bei Märkten und Festen einen verkehrsfreien Treffpunkt für die Pfäffiker Bevölkerung. 2016 erhielt der Platz sein heutiges Aussehen. Der «Hecht»-Vorplatz bildet zusammen mit der beruhigten Seestrasse eine Einheit, ist praktisch verkehrsfrei und unterstreicht das kleinstädtische Ambiente in der Kernzone. Wegen einer fehlenden Lösung für eine erträgliche Pfäffiker Verkehrsführung muss der gesamte Verkehr von und zur Oberlandautobahn auf der Usterstrasse abgewickelt werden, womit das Aufenthaltsvergnügen in der lauschigen Gartenwirtschaft des Gasthofes während der Stosszeiten beeinträchtigt wird.

Kirchenplatz um 1900 Ansichtskarte Kissel & Rettner Gasthof Hecht Restaurant Brauerei
Der Kirchenplatz um 1900, frühe Ansichtskarte von Kissel & Rettner. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Gemäss alter Dokumente soll Hensli (Hans) Tobig, 1463, der erste Hechtwirt gewesen sein, dessen Vater und Grossvater schon beide mit Salz, Eisen und Tuch gehandelt hätten. Sie hätten die entsprechenden Masse gehabt. Am 17. Dezember 1595 erteilte die Obrigkeit dem Dorf die Bewilligung, drei Tavernen zu führen: Den «Hecht», die «Krone» und den «gelben Löwen». Es soll sich damals um eine Behausung mit Hofstatt nebst der dazugehörenden Tavernengerechtigkeit, Scheune, Heustallung, Kraut- und Baumgarten, Krautgärtli neben dem Haus, dazu Gemeinde- und Fleckengerechtigkeit gehandelt haben. Um die Jahrhundertwende ins 19. Jahrhundert ist nach einem Brandfall der heutige Bau entstanden mit dem schweren doppelläufigen Mansardendach. Seither hat sich die Liegenschaft äusserlich kaum mehr verändert. Am 10. Juli 1807 erscheint sie zum ersten Mal im Grundprotokoll als Eigentum von Hans Heinrich Schlumpf. Durch verschiedene Erbschaften und Verkäufe gelangte der «Hecht» 1899 in den Besitz der Familie Leemann, welche ihn bis 1948 prägte. Bereits 1956 übernahm Robert Etter als Eigentümer und führte den «Hecht» bis zu dessen Verkauf 1984 an die Tollhammer AG, welche ihn bereits 1985 im neuen Gewand wiedereröffnete. In der neuen Ära führte als Pächterin die Familie Häubi das Zepter, welche während des Sommers auch noch den Strandbadkiosk führte. Max Häfeli war der Nachfolgepächter, er setzte während 23 Jahren sein ganzes Wesen und seine Schaffenskraft für diese Wirtschaft ein. Das Ausbleiben der Kundschaft während diversen Sperrungen und Umbauten an der Usterstrasse brach aber diese Existenz 2016. Er musste schweren Herzens seinen geliebten «Hecht» aufgeben. Seit 2017 ist die Familie Schellenberg die neue Eigentümerin. Sie unterzog diesen für Pfäffikon berühmten historischen Gasthof und die Gartenwirtschaft einer aufwendigen kompletten Erneuerung, und sie hat es damit geschafft, im nun modernen Gastronomiebetrieb ein ansprechendes und gern genutztes Angebot anzubieten. Im ehemaligen VOLG-Lädeli gleich nebenan betreibt die Eigentümerin, die Schellenbergdruck AG, eine Inseratannahmestelle mit Souvenirartikeln zu Pfäffikon.

Kirchenplatz Gasthof Hecht unterer Dorfbrunnen um 1900.
Der Kirchenplatz mit dem Gasthof Hecht und dem unteren Dorfbrunnen um 1900. Quelle: Zentralbibliothek Zürich
Strassenszene um 1910 Blick über den Kirchenplatz Richtung Uster
Strassenszene um 1910, Blick über den Kirchenplatz Richtung Uster. Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Kirchenplatz unterer Dorfbrunnen um 1920 Gasthof Hecht
Der Kirchenplatz mit dem unteren Dorfbrunnen um 1920. Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Kirchenplatz 2002 Gasthof Hecht
Der Kirchenplatz 2002 noch vor der Umgestaltung. Quelle: Ernst Bänteli

Der «Hecht» ist die älteste Taverne In Pfäffikon. Er erhielt als einziges konzessioniertes Gasthaus in Pfäffikon das Recht zum Betrieb schon 1463, die so genannte Tavernengerechtigkeit. 1595 kamen zwei weitere dazu: Die «Krone» (heute Kam You) und der «gelbe Löwen» (heute Alte Post), 1595. Ursprünglich erteilten Grund- bzw. Gerichtsherren das Tavernenrecht, vom 16. bis zum 17. Jahrhundert immer häufiger die Städte- und Länderorte in ihren Territorien. Für ein Tavernenrecht zahlten Wirte eine einmalige Gebühr und einen jährlichen Zins. Dieser betrug bis 1809 einen Gulden. Zur Führung von Gasthäusern waren sie der Obrigkeit mit Eid verpflichtet. Der obrigkeitlichen Regelung und Aufsicht unterstanden die Qualität und Menge des Angebots, die Preistarife, die Öffnungszeiten und das Ungeld, eine Verbrauchs- und Umsatzsteuer. Der Wirt war bei rechtswidrigem Verhalten seiner Gäste zur Anzeige verpflichtet. Bei Übertretungen wurde auch der Wirt belangt, der damit im Spannungsfeld zwischen Gast, Aufsichtsfunktion und eigenen wirtschaftlichen Interessen stand. Die Tavernengerechtigkeit durfte nach Belieben genutzt oder auch verkauft werden. Oft wanderte sie von einer Wirtschaft zur nächsten. Der Wirt einer Taverne hatte das Recht, warme Speisen abzugeben und Fremde zu beherbergen, im Gegensatz zu «Weinschenken», welche nur Getränke, Käse und Brot anbieten durften. Dem Kanton war es ein Anliegen, dass nicht beliebig Winkelwirtschaften betrieben werden konnten, weil das den Charakter der Menschen verderben würde. 1865 wurde das «Täferegesetz» (Tavernenrecht) durch die Gewerbesteuer ersetzt. 1874 wurde die Handels- und Gewerbefreiheit verfassungsmässig verankert. Im Kanton Zürich braucht es heutzutage für den Betrieb einer Wirtschaft kein Wirtepatent, dafür aber ein Gastwirtschaftspatent.

Der «Hecht» ist ein traditionsreicher Treffpunkt des Pfäffiker Dorflebens. Der «Hecht» ist nicht nur die älteste Taverne im Dorf, sondern auch ein politischer und gesellschaftlicher Angelpunkt im 20. Jahrhundert. Der Kirchplatz – oft auch Hechtplatz genannt – bildet im unteren Dorfteil einen eigentlichen Kulturplatz: Kirche-Wirtschaft-Stammtisch-Lebensmittel-Handwerk. Fast alles, was der Mensch zum Leben braucht, war im Umkreis von 50 Metern am Kirchplatz erreichbar: Eine Metzgerei, eine Bäckerei, ein Lebensmittelgeschäft (das Hechtlädeli), zwei Wirtschaften (Brauerei und Hecht), die Reformierte Kirche (die Dorfkirche), kombiniert mit dem zugehörigen Dorfschwatz stillte das Quartier während Jahrzehnten die Bedürfnisse zufriedenen Dorflebens für die Menschen. Der Hechtladen des landwirtschaftlichen Vereins von Pfäffikon (LVP) verkaufte Jahrzehnte lang frische landwirtschaftliche Produkte aus der bäuerlichen Umgebung. Nach der Aufgabe dieser Verkaufsstelle durch den LVP, übernahm die Metzgerei Eichmann/Zwycki den Laden und führte ihn mit Frau Marie Schaufelberger und ihren Nachfolgerinnen erfolgreich weiter, bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Grosshandel das Leben der Kleinen generell zur Existenzfrage machte. 1963 ist mit der Garage Kläui, der einstigen Dorfschmitte, mitten im Kirchplatz auch das Handwerk verschwunden, dafür aber ein grosszügiger Platz entstanden. Dank der Existenz der beiden Wirtschaften «Hecht» und «Brauerei», dem umfangreichen Kulturangebot der reformierten Kirche in Kirche und Kirchgemeindehaus und der Neugestaltung der Seestrasse mit dem kleinstädtischen Gepräge sowie natürlich dem nahen Seequai ist auch das Unterdorf ein bedeutender Treffpunkt für die Dorfbevölkerung geblieben. An Markttagen und grossen Festen gehört der Kirchplatz den Menschen und bleibt für den Verkehr gesperrt.

Der frisch renovierte Gasthof Hecht 2020. Quelle: picswiss
Der frisch renovierte Gasthof Hecht 2020. Quelle: picswiss

Nach einer kompletten aufwendigen Renovation mit der Übernahme durch die Familie Schellenberg (Schellenberg Druck AG) im Jahr 2017 strahlt der Hecht seine alte Würde wieder aus. Michèle Schellenberg als Wirtin garantiert eine gut bürgerliche Führung mit entsprechendem Angebot aus der Küche. Die wieder original hervorgeholte rustikale Holzdecke und das Täfer im sorgfältig erneuerten Restaurant und im angrenzenden offenen Sääli bringen in Gedanken die alten Zeiten zurück. Durch den Einbau einer Bar in Form eines originalen Segelschiffrumpfes bekommt die Eingangspartie eine besondere Note. Dank der Beruhigung der Seestrasse, dem neu gesetzten unteren Dorfbrunnen und einem gepflästerten Vorplatz ist wieder ein schöner Begegnungsplatz im unteren Dorfteil entstanden, sowohl in der kaum veränderten einladenden Gartenwirtschaft als auch mit dem Ausbau im Innern, welcher mit viel Detailliebe der Wirtin gestaltet worden ist. Über der Wirtschaft im ersten Stock befinden sich ein Seminarraum für rund 20 Personen, eine Ratsherrenstube für ungefähr 8 Personen und eine moderne Küche, welche die Ansprüche der Kundschaft erfüllen kann. In den Räumen darüber sind Wohnungen eingerichtet. Die Räumlichkeiten im 1. Stock können auch gemietet werden.

Eingangspartie Restaurant «Flirt»-Bar 2023
Die Eingangspartie des Restaurants mit der «Flirt»-Bar 2023. Quelle: Ernst Bänteli

Streit um den vergoldeten «Hecht»

Tavernenschild Wirtshausschild Gasthof Hecht 2020
Das umstrittene Tavernenschild tut seinen Dienst bis heute. Quelle: picswiss

Bericht aus der Monatschronik der Zürcherischen Rechtspflege:
Streit um die Kosten des «Hecht»-Tavernenschildes

Das Obergericht musste zu einem Entscheid des Bezirksgerichtes Pfäffikon Stellung beziehen. Es fällte am 11. Juli 1833 folgendes Urteil in Sachen «Heinrich Krebs von Oberweil, Gemeinde Pfäffikon (Anwald Herr Schinz) gegen Herrn Zunftgerichtspräsident Hanhard* von Pfäffikon (Anwald Herr Tobler)»: Hanhard war damals Gastwirt zum «Hecht» und schloss am 17. Februar 1830 mit Schlosser Schneider einen Vertrag (Accord) ab zur Herstellung eines Aushängeschildes mit folgendem Vertragstext:

«Verpflichtet sich der Schlosser, eine schöne brave Taverne, nach dem Riss und Gewicht, wie des Kellers in Robenhausen, zu machen und eben so schön zu vergolden, und nach seinem Versprechen in allen Theilen noch schöner sein soll, als diese; ferner: Wenn also obigem Accord ein Genüge geleistet, so hat der Schlosser pro Pfund 35 Schillinge anzurechnen».

Damit die Arbeit ausgeführt werden konnte, benötigte Schlosser Schneider einen Vorschuss und die Gewähr, dass alle Folgen und Schäden im Zusammenhang mit dem Auftrag gedeckt sind. Heinrich Krebs im Oberwil bürgte dafür. Er erhielt von Hanhard dafür zwei Louis d’or (Französische Goldmünzen). Da nun aber, entgegen dem Vertrag, das Tavernenschild 212 Pfund statt wie im Vertrag 110 Pfund schwer war und die Lieferung sich verzögerte, verweigerte Hanhard* beharrlich die Annahme und verlangte die beiden Louis d’or zurück und eine zusätzliche Entschädigung von 25 Gulden und acht Schilling. Darauf zog Krebs den Fall vor das Obergericht. Nach allen Erwägungen gab dieses dem Kläger Krebs Recht und erklärte Hanhard für schuldig und er habe vertragsgemäss das Schild zu übernehmen und 35 Schillinge pro Pfund zu zahlen. Zusätzlich habe er die Prozesskosten des Klägers und die Gebühren zu tragen. Wohl oder übel musste Hanhard* einwilligen.

Hanhard*: Es sind selbst innerhalb der Familie verschiedene Schreibweisen im Umlauf (Hanhard, Hanhart, Hanhardt), meistens wird «Hanhart» verwendet.

Dorfbekannte Wirte im «Hecht» im 20./21. Jahrhundert

  • Emil und Kunigunde Leemann 1899 – 1946
  • Robert Etter 1956 – 1967 
  • Jakob Jung 1969 – 1975
  • Hansrudolf Häubi 1976 – 1986
  • Max Häfeli 1986 – 2016
  • Michèle Schellenberg ab 2016

Familie Leemann

Emil und Kunigunde Leemann Gartenwirtschaft Gasthof Hecht um 1910
Im Vordergrund links Emil und rechts Kunigunde Leemann in der Gartenwirtschaft des Gasthofs Hecht, um 1910. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Während der ganzen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Name Leemann das Aushängeschild des Gasthofes. Emil und «Kunigunde» Leeman führten mit grossem Erfolg den weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannten Landgasthof und machten ihn zu einer der ersten Adressen in der Ostschweiz. Emil war der Fischer und «Kunigunde», die im «richtigen» Leben eigentlich Anna hiess, war die Seele des Hauses und die wohl berühmteste Hechtwirtin schlechthin.

Sohn Emil war der Bootsbauer, der sich mit dem Bau seiner Rennboote, welche auf den verschiedensten Schweizer Seen anzutreffen waren – und teilweise noch sind! – einen in Fachkreisen hervorragenden Namen schaffen konnte. Seine Bootswerft und ein grosses Bootshaus waren am Seequai nicht zu übersehen. Die heute noch an Stickeln aufgereihten hübschen rot-weissen Ruderboote gehen im Ursprung auf seine Bootsbautätigkeit zurück. Sein ältestes gebautes Motorboot, der «Hecht», erhielt nicht umsonst diesen Namen. Es wurde nach über 100 Jahren 2019 mit einem 2. Stapellauf wieder zum Leben erweckt. Bei einer Testfahrt auf dem See, welche leider tragisch endete, kam Emil Leemann 1939 ums Leben. Nachfolger wurde sein ehemaliger Lehrling, Willi Schaufelberger, welcher mit seiner Familie Leemanns Erbe übernahm. Schaufelbergers Nachkommen, die Familie Bieri, haben bis heute die Hoheit über die Pfäffiker Schiffe inne.

Der zweite Sohn, Ruedi Leemann, ein Kranzschwinger, war der Fischzüchter, welcher am nordwestlichen Ende des Seequais wohnte und seine berühmte Fischzucht mit den vielen Bassins betrieb. Die Qualität seiner Fische war weit herum bekannt. Sie fanden Absatz in den renommierten Gasthöfen der Umgebung bis nach Winterthur und bis in die Kronenhalle in Zürich. Ein gross dimensioniertes Fischaquarium stand lange Zeit in der Gartenwirtschaft des Hechts, aus welchem die hungrige Kundschaft direkt «ihren» Fisch auslesen konnte. Frischer geht nicht! Das kinderlose Ehepaar Leemann-Bosshard musste leider den Fischzuchtbetrieb 1971 der Gemeinde Pfäffikon verkaufen, welche noch bis 1976, wider Willen, mit den Fischen geschäftete.

Zu den Zeiten der Familie Leemann wurde der Hecht immer mal wieder für die Durchführung auch grösserer gesellschaftlicher Ereignisse weit über die lokalen Grenzen hinaus ausgewählt. So gab es diverse Autorallyes, bei denen ein Znüni- oder Zmittaghalt im Hecht für einen Concours d’élégance genutzt wurde.

Autorallye 30er-Jahren Gasthof Hecht Winter Oldtimer
Eine Autorallye macht in den 30er-Jahren Halt im «Hecht». Quelle: Chronikstube Pfäffikon
Nachruf Anna «Kunigunde» Leemann, 6. Oktober 1943
Nachruf für Anna «Kunigunde» Leemann, 6. Oktober 1943. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Transkription:
Bezirk Pfäffikon
Frau Anna Leemann
Heute wird eine Pfäffikerin zu Grabe getragen, die für unsere Gemeinde in jeder Beziehung repräsentativ war: Frau Anna Leemann. Für das Dorf selbst bedeutete sie einen gewissen Mittelpunkt, wer bei ihr zu Gast war, fühlte sich geborgen, und jeder von den alten Kunden des «Hechtes» wird sich nun wie ein verwaistes Kind fühlen, das nach Hause kommt und die Mutter nicht vorfindet. Nach aussen aber, im Kanton und darüber hinaus wirkte sie repräsentativer für Pfäffikon als mancher wichtige Politiker. Für viele Leute von auswärts waren Pfäffikon – Hecht – Frau Leemann gleichbedeutend; wenn es galt, ein Ausflugsziel für den Sonntag festzulegen, so sagte man: Wir gehen nach Pfäffikon zur Frau Leemann in den «Hecht». Sie hat viel getan, um den guten Ruf des «Hechts» noch mehr zu heben, unermüdlich in der Arbeit setzte sie ihre ausgeprägte Persönlichkeit für ihr Haus ein, in dem es früher, als es noch Autos gab und man noch Feste zu feiern wusste, wie ein Bienenstock wimmelte. Ein wohlangelegtes Leben, das sie durch weite Reisen noch bereicherte, hat seinen Abschluss gefunden und auch in weiter Ferne wird man mit Bewegung und Wehmut vom Tode dieser berühmten Wirtin hören.


Stammtisch

Anstatt an der Gemeindeversammlung in der Kirche nebenan zu argumentieren und zu debattieren, ereiferten sich im Nachgang die Gemüter nach einer behördlich bewilligten Verlängerung der Polizeistunde im «Hecht» mit ausführlichen Kommentaren teilweise heftig oder auch zufrieden bei einem Gutenachtbier. Unvergesslich ist der Stammtisch, um welchen sich vor allem am Samstagmorgen die «alten» Herren vom Dorf zu einem Gedankenaustausch, meist über Gott und die Welt, trafen. Ein topaktuelles kommunales oder auch kantonales Ereignis konnte aber auch zu hitzigem Disput führen. Doch meistens verliess man das Gasthaus dann wieder versöhnt mit den Kompromissen unserer gelebten Demokratie. Während der Arbeitswoche gehörte der Stammtisch den Arbeitern und Angestellten der umliegenden Geschäfte, welche ihre Znünipause für die Gemeinschaftspflege zelebrierten – und das, ohne dass sie diese Wirkung zur Kenntnis nahmen. Nie war dem Personal oder dem Chef, der Chefin, ein Einsatz zu viel; stets wurde man zuvorkommend und freundlich bedient. Ein Aufschrei ging durch die Bevölkerung als es hiess, auch der «Hecht» könnte schliessen, wie leider bereits viele andere Wirtschaften. Wo soll sich nun die Stammkundschaft treffen? Zum Glück ist es dann 2016 anders gekommen, als klar wurde, dass eine Pfäffiker Familie sich dieses historischen Gasthofes annahm. Sie erneuerte das Lokal und die bekannte Gartenwirtschaft und betreut trotz eingeschränkter Öffnungszeiten wieder einen gern und gut frequentierten, gepflegten und geschätzten Treffpunkt im unteren Dorfzentrum. Beim Flanieren zum See lässt man sich gerne ablenken und in der kühlen Gartenwirtschaft von einem Hechtdrink verwöhnen. Wirte und Wirtinnen hatten immer eine hohe soziale Funktion im Zusammenleben einer Dorfgemeinschaft.


General Guisan in Pfäffikon

General Guisan Gasthof Hecht November 1941
General Guisan zu Besuch im Hecht, November 1941. Quelle: Chronikstube Pfäffikon

Aus dem Wochenblatt von Pfäffikon vom 19. November 1941

«Mit Windeseile pflanzte sich in der ersten Nachmittagsstunde des gestrigen Dienstags das «Gerücht» von Mund zu Mund: «Dä Gäneral ischt im ‹Hecht› abgstyge!» Wer sich diese historische Begegnung nicht entgehen lassen wollte, eilte ins Unterdorf, um den Gasthof zu belagern, dem der höchste Soldat der Schweizer Armee die Ehre seines Besuches erwiesen hatte.

Eine Anzahl Schulkinder, für die das Ereignis der Höhepunkt ihres jungen Lebens bedeutet haben mochte, umstand das bekannte Generals-Auto, dessen Aufschrift schon von weitem erkennbar ist. Ein ganz begeisterter Jungeidgenosse sprang sogar nach Hause, um sein Trümeli zu reichen und dem Herrn General auf seine Art vor dem Restaurant ein Ständchen zu wirbeln.

Wir unsererseits schnupperten in der Küche herum, um die Köchin nach dem Menu des hohen Gastes zu interviewen. Wir dürfen verraten, dass es «nur» einfach, d.h. gut bürgerlich war. Es war uns dann auch noch vergönnt, dem Herrn General auf ein paar Meter Distanz gegenüberzustehen und ihm gut eidgenössisch zuzunicken.

Nach kaum einer Stunde Aufenthalt bestieg General Guisan in Begleitung von Oberstdivisionär Lardelli wieder seine Benzinkutsche, um die im Gang befindlichen Manöver weiter zu verfolgen. Die Lokalhistoriker aber mögen nicht vergessen, in ihrem Baedecker einen Stern zu machen: Dienstag, 18. November 1941: General Henri Guisan in Pfäffikon. (Es ischt nu wäge schpöter!)»

In dieser schwierigen Zeit, wo die Bedrohungslage an der Nordgrenze unseres Landes als sehr ernst eingeschätzt wurde, muss die Präsenz des Generals als Symbol des schweizerischen Widerstandswillens ganz besonders Eindruck gemacht haben. Dem geforderten Stern tun wir als «Lokalhistoriker» hiermit Genüge.

Quellen:

  • Chronikstube, diverse Archivmaterialien
  • Monatschronik der zürch. Rechtssprechung vom 11. Juli 1833
  • Zusammenstellungen von Emil Gross, Chronist
  • Tagblatt des Bezirkes Pfäffikon, diverse
  • Wochenblatt vom 19. November 1941
  • Zeitungsbericht Gasthof Hecht von Notar Max Würmli
  • Jahresschrift 5, AGP, Text von Hannes Suter
  • Heimatbuch 2, 1983, Text von Otto Meier
  • Felix Müller (Brugg); Anne-Marie Dubler: «Gasthäuser», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2006.
  • Felix Müller (Brugg); Anne-Marie Dubler: «Tavernenrecht», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2006.


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